Der Mediationsblog: Wissenswertes über Mediation und Streitbeilegung
Haltung des Mediators, nicht nur in der Mediation
Liebe Freunde der Mediation,
manchmal ist es wichtig, eine gewisse Haltung einzunehmen. Beim Sport wird eine körperlich angespannte Haltung eingenommen, um als Erster schnell vom Startplatz wegzukommen. Der Balletttänzerin sehen wir gerade wegen ihrer eleganten Haltung so gerne zu. Politiker nehmen hingegen eine Haltung an, die Macht und Überlegenheit ausdrücken soll. Und wenn wir an unser Elternhaus zurückdenken, wurde uns immer wieder gesagt, dass wir eine vernünftige Haltung bewahren sollen, statt einfach halb schräg auf der Couch rumzulümmeln, oder? Kopf hoch, Rücken gerade, Brust raus – und so wurde dann bitteschön auch der neue Nachbar von Gegenüber begrüßt, damit der Grundstein für den guten ersten Eindruck gelegt werden konnte.
Von Kindesbeinen an wurden wir also aufgefordert, durch eine aufrechte Haltung uns selbst und andere zu achten, was uns heute nicht nur in der Mediation zugutekommt. Die aufrechte Haltung dient nämlich zugleich auch dem achtungsvollen, respektvollen und wertschätzenden Umgang mit Menschen, Tieren und der Natur. Wenn ich mich sprichwörtlich „hängen“ lasse, kann ich mich auch meinem Gegenüber auch nicht in der Form zuwenden, die ihm eigentlich gebührt.
Haltung = innerliche und äußerliche Position?
In der Mediation kommt der Haltung des Mediators eine übergeordnete Rolle zu. Unter Haltung wird die innerlich eingenommene Position des Mediators verstanden, allen Beteiligten gleichermaßen seine Wertschätzung und Empathie entgegenzubringen, sich angemessen zu verhalten und stimmig zu handeln.
Die Haltung des Mediators zeigt sich also von innen durch sein mentales Verhalten und von außen durch seine Gestik und Körpersprache. Sie ist jedoch nicht angeboren, sondern beruht auf dessen Fähigkeiten. Im Idealfall sind diese geprägt von
- Aufmerksamkeit
- Gelassenheit
- Absichtslosigkeit
- Interesse
- Wertschätzung
- Anerkennung
- Würdigung
Wer sich diese Stichpunkte noch einmal ins Gedächtnis ruft, wird feststellen, dass sie von den elterlichen Ratschlägen, eine Haltung anzunehmen, nicht weit entfernt sind.
Kombination von Fähigkeiten macht die Haltung aus
Die aufmerksame Gelassenheit des Mediators gehört zu den wichtigsten Fähigkeiten. Der Mediator kann dadurch bis zu einem gewissen Grad einfach zulassen, was während des Mediationsverfahrens geschieht. Auch wenn er mit Gefühlen, Ratlosigkeit, Verwirrung oder Freude konfrontiert wird, bleibt er aufmerksam und ruhig. Er lässt sich nicht so einfach „anstecken“. Diese Gelassenheit entbindet Mediatoren auch davon, sofort einschreiten zu müssen und ständig zu intervenieren. Es muss nichts Bestimmtes erreicht werden, was dem Mediator eine unaufgeregte, beruhigende und dennoch strukturierende Haltung verleiht. Der Mediator widmet seine Aufmerksamkeit ganz den Medianden als Person, ihren Anliegen und ihren Informationen. Er nimmt ihre Regungen wahr, studiert ihre Körpersprache und gibt ihnen seinerseits das Gefühl, dass sie bei ihm gut aufgehoben sind. Die Aufmerksamkeit des Mediators ist dabei kein diagnostisches oder analytisches Interesse, sondern der ehrliche Versuch, Probleme und die damit verbundenen Bedeutungen und Ein- bzw. Auswirkungen zu verstehen. Der Mediator versucht, die Welt durch die Augen seiner Medianden zu erkunden und zu betrachten.
Absichtslosigkeit bedeutet ohne Absicht
Der Mediator ist im Idealfall gänzlich offen, was den Mediationsverlauf und das Mediationsergebnis betrifft. Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren unvermutete und unvorhergesehene Wendungen einnimmt. Die Absichtslosigkeit erlaubt dem Mediator, das Mediationsverfahren zum Teil den Medianden zu überlassen. Werden seine Interventionen nicht angenommen oder entfalten keine Wirkung, muss der Mediator nicht darauf beharren. Es gilt, dass nicht nur die Lösung zählt, sondern der von den Medianden beschrittene Weg dahin mindestens genauso wertvoll ist.
Mediatoren mögen Menschen
Menschen Wertschätzung entgegenzubringen sowie ihre Anliegen anzuerkennen und zu würdigen gehört ebenfalls zu den wichtigen Fähigkeiten eines Mediators. Es muss ihm gelingen, jeden Medianden zu akzeptieren und in der Beziehung zum jeweils anderen zu unterstützen. Dafür ist es notwendig, dass der Mediator die Medianden versteht. Er muss bereit sein, die Medianden so zu nehmen, wie sie sind. Dies gilt auch dann, wenn die aktuellen Einstellungen und Verhaltensweisen im Konflikt eher als negativ aufgefasst werden müssen oder sich der Mediand just in diesem Moment als Querulant beweist. Die wertschätzende Haltung des Mediators beinhaltet nämlich auch das Wissen, dass das Verhalten der Medianden immer nur einen Teilaspekt der Persönlichkeit ausmacht. Aus diesem Grund hält der Mediator niemals einen Medianden für defizitär, sondern handelt gleichbleibend anerkennend und würdigend. Diese Wertschätzung wird für die Medianden spürbar und hilft, wieder zu einem gestärkten Selbstwert zu finden.
Haltungen enthalten Botschaften
Aktives Zuhören gehört nicht ohne Grund zu den Werkzeugen des Mediators. Konflikte werden immer auch durch emotionale Regungen vorgetragen, die zahlreiche Kommunikationskanäle öffnen. Dem Mediator eröffnen sich verbale, nonverbale, mit Zwischentönen versehene, durch Gesten und Blicke untermauerte sowie durch Körperhaltung demonstrierte Mitteilungen – was wiederum nichts anderes als eine „Haltung“ darstellt. Die Medianden nehmen ebenfalls eine bestimmte Haltung ein, die der Mediator wahrnimmt und registriert. Um eine Ebene für gegenseitiges Verständnis zu schaffen, beschreibt der Mediator diese Wahrnehmungen und spiegelt sie, um Überlegungsprozesse und Perspektivwechsel einzuleiten. Mediatoren müssen somit nicht nur gut zuhören und sprechen können, sondern auch in der Lage sein, Haltungen zu „lesen“.
Heute bin ich dankbar, dass mich meine Eltern oder auch Lehrer auf meine Haltung aufmerksam gemacht haben. Sie haben mich damit nicht nur menschlich positiv beeinflusst, sondern darüber hinaus auch den Grundstein für meine Berufung gelegt. Also, Leute, achtet auf eure Haltung!
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