Mediationsarten

Narrative Mediation fokussiert auf Geschichten und Sichtweisen zur Konfliktlösung

Bei der narrativen Mediation handelt es sich um eine Mitte der 80er Jahre in Australien entwickelte Mediationsart, die als eine Art Geschichten-Erzähl-Prozess betrachtet werden kann. Sie basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch eine eigene Geschichte hat, die sein Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst. Diese Geschichten werden durch Erfahrungen, Werte, Überzeugungen und soziale Kontexte geprägt und können zu Konflikten führen, wenn sie nicht verstanden oder respektiert werden. Die narrative Mediation nutzt daher die Kraft von Geschichten, um Konflikte zu lösen und Beziehungen zu verbessern. Sie strebt danach, menschlich auf die Parteien einzuwirken, den Umgang mit dem Konflikt zu fördern und gemeinsam nach einer Konfliktlösung zu suchen.
Die Anwendung der narrativen Mediation erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, die individuellen Erzählungen der Beteiligten zu erkennen und zu verstehen. Der Mediator fungiert als neutraler Dritter, der die Parteien dabei unterstützt, ihre Erzählungen gemäß den nachfolgend genannten Techniken zu dekonstruieren und neu zu gestalten.

 

Grundkonzepte der narrativen Mediation

Die narrative Mediation basiert auf mehreren zentralen Konzepten, die das Verständnis und die Lösung von Konflikten erleichtern:

  1. Konflikterzählung
    Die Konflikterzählung beschreibt die Art und Weise, wie jede Person ihre eigene Geschichte des Konflikts konstruiert. Diese Erzählung gibt Hinweise darauf, welche Elemente und Aspekte die Person als problematisch empfindet und definiert ihre Position im Konflikt. Die Konflikterzählung umfasst:
    1. Ursache des Problems: Warum der Konflikt entstanden ist.
    2. Änderung: Welche Veränderungen zum Konflikt geführt haben.
    3. Komplizierende Faktoren: Zusätzliche Elemente, die den Konflikt verschärfen.
    4. Lösung: Was eine mögliche Lösung ermöglichen würde.

  2. Alternative Erzählung
    Die alternative Erzählung stellt die ideale Situation dar, die es allen Parteien ermöglichen würde, den Konflikt zu überwinden. Hierbei verwenden alle Beteiligten eine persönliche Sprache, um auszudrücken, was sie wollen und was sie bereit sind zu tun, um eine Lösung zu finden. Diese Erzählung dient als konstruktive Vision, die als Grundlage für die Lösung des Konflikts dienen kann.

  3. Meta-Erzählungen
    Meta-Erzählungen beziehen sich auf die zugrunde liegenden Regeln und Werte, die in der Konflikterzählung und der alternativen Erzählung sichtbar werden. Diese übergeordneten Erzählungen prägen das Verständnis der Parteien von Recht und Unrecht, von Macht und Moral und beeinflussen somit maßgeblich die Konfliktdynamik.

 

Narrative Elemente in Konfliktgeschichten

Die Geschichte, die Menschen über einen Konflikt erzählen, enthält charakteristische Elemente, die für die Analyse und Dekonstruktion des Konflikts von zentraler Bedeutung sind:

  1. Handlung
    Die Handlung beschreibt, wie eine Person den Verlauf des Konflikts sieht – von der Ursache des Problems über die darauf folgende Veränderung bis zur möglichen Lösung.

  2. Gegenstand
    Der Gegenstand ist der konkrete Aspekt des Konflikts. Es geht darum, was genau im Mittelpunkt des Streits steht.

  3. Kontext
    Der Kontext umfasst die physische und soziale Umgebung, in der der Konflikt auftritt. Dies kann kulturelle, ökonomische oder emotionale Rahmenbedingungen betreffen.

  4. Parteien
    Alle am Konflikt Beteiligten werden als Parteien bezeichnet. Ihre Rollen und Beziehungen zueinander spielen eine entscheidende Rolle bei der Konfliktdynamik.

Unterschiede und Herausforderungen in narrativen Konflikterzählungen
Oftmals unterscheiden sich die Konflikterzählungen der Beteiligten stark voneinander, wodurch es erscheint, als ob ein Konflikt aus völlig unterschiedlichen Themenbeständen besteht. Diese Divergenz erschwert eine gemeinsame Basis für die Lösung des Konflikts. Die Herausforderung besteht darin, diese unterschiedlichen Erzählungen zu erkennen, zu respektieren und Wege zu finden, sie miteinander zu verknüpfen.

 

Techniken der narrativen Mediation

Die narrative Mediation verwendet verschiedene Techniken, um den Konflikt zu analysieren und eine gemeinsame Erzählung zu entwickeln:

  1. aktives zuhören
    Bei dieser Methode wird das aufmerksame Zuhören der kritischen Äußerungen einer Person genutzt, um diese in positive Formulierungen zu verwandeln.
    Ein Beispiel dafür wäre, aus dem Vorwurf „Dein Egoismus ärgert mich“ den Wunsch „Ich hoffe auf mehr Freigebigkeit“ zu machen.

  2. Umschreibung
    Der Mediator fasst die Aussagen der Parteien zusammen, indem er die Grundursachen und komplizierenden Faktoren der Handlung zusammenführt. Dies fördert das gegenseitige Zuhören und Verständnis.

  3. Überdenken
    Kämpferische Formulierungen werden identifiziert und in eine friedlichere Bedeutung transformiert. Ein Satz wie "Er ist ein Lügner" lässt sich in "Vielleicht fallen mir beim Zuhören Widersprüche in seinen Aussagen auf" umwandeln.

  4. Externalisierung
    Der Mediator hilft den Parteien, das negative Gefühl zu identifizieren, das durch die gegnerische Partei hervorgerufen wird, und untersucht gemeinsam, wie dieses sich manifestiert.

  5. Einbeziehung anderer Erzählungen
    Durch Rollenspiele versetzt sich die Partei in die Lage einer neutralen Person, um den Konflikt aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Ablauf einer Mediationssitzung

 

  1. Einführung und Begrüßung: Der Mediator erklärt den Ablauf und die Prinzipien der narrativen Mediation.
  2. Darstellung der Konflikterzählungen: Jede Partei erzählt ihre eigene Sichtweise des Konflikts.
  3. Analyse der Erzählungen: Der Mediator identifiziert die Handlung, den Gegenstand, den Kontext und die Parteien in den Erzählungen.
  4. Anwendung der Techniken: Doppelt zuhören, Umschreibung, Überdenken, Externalisierung und Einbeziehung anderer Erzählungen werden angewendet.
  5. Entwicklung der alternativen Erzählung: Gemeinsam erarbeiten die Parteien eine Vision der Konfliktlösung.
  6. Abschluss und Vereinbarung: Die Parteien einigen sich auf konkrete Schritte zur Umsetzung der Lösung.

 

Erfolgsfaktoren

  1. Neutralität des Mediators: Der Mediator muss unparteiisch sein und eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen.
  2. Offenheit der Parteien: Die Bereitschaft, die eigene Erzählung zu reflektieren und die Perspektive des anderen zu verstehen.
  3. Klarheit der Kommunikation: Eindeutige und respektvolle Ausdrucksweise fördert das Verständnis.

 

Herausforderungen

  1. Starke Divergenz der Erzählungen: Wenn die Konflikterzählungen zu unterschiedlich sind, kann es schwierig sein, eine gemeinsame Basis zu finden.
  2. Emotionale Belastung: Tiefe emotionale Verbundenheit mit den eigenen Erzählungen kann den Prozess erschweren.
  3. Mangelnde Bereitschaft zur Veränderung: Eine Partei, die nicht bereit ist, ihre Position zu überdenken, kann den Fortschritt behindern.

 

Häufige Fragen kurz erklärt

 

Wie unterscheidet sich die narrative Mediation von anderen Mediationsverfahren?
Im Gegensatz zu anderen Mediationsverfahren, die sich auf die Suche nach objektiven Lösungen konzentrieren, legt die narrative Mediation den Fokus auf die individuellen Erzählungen und Erfahrungen der Konfliktparteien.

Welche Rolle spielt der Mediator in der narrativen Mediation?
Der Mediator in der narrativen Mediation fungiert als neutraler Begleiter, der die Kommunikation zwischen den Parteien fördert und sie dabei unterstützt, ihre Geschichten zu teilen und gemeinsam eine Lösung zu finden.

Wie lange dauert eine narrative Mediation in der Regel?
Die Dauer einer narrativen Mediation hängt von der Komplexität des Konflikts und der Bereitschaft der Parteien ab, sich auf den Prozess einzulassen. In der Regel dauert sie jedoch mehrere Sitzungen, die jeweils mehrere Stunden dauern können.

Wer kann eine narrative Mediation in Anspruch nehmen?
Grundsätzlich können alle Konfliktparteien, die bereit sind, ihre Geschichten zu teilen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, eine narrative Mediation in Anspruch nehmen. Dies können beispielsweise Familienmitglieder, Kollegen oder Geschäftspartner sein.

Gibt es auch Nachteile bei der Anwendung von narrativer Mediation?
Wie bei allen Mediationsverfahren gibt es auch bei der narrativen Mediation keine Garantie für eine erfolgreiche Konfliktlösung. Zudem kann es für manche Menschen schwierig sein, ihre persönlichen Geschichten und Emotionen zu teilen.

Wie läuft eine narrative Mediation typischerweise ab?
In der Regel beginnt eine narrative Mediation mit einem Vorgespräch, in dem der Mediator die Konfliktparteien näher kennenlernt. Anschließend folgen mehrere Sitzungen, in denen die Parteien ihre Geschichten erzählen und gemeinsam nach einer Lösung suchen.

Kann eine narrative Mediation auch in Kombination mit anderen Mediationsverfahren angewendet werden?
Ja, je nach Bedarf und Komplexität des Konflikts kann die narrative Mediation auch mit anderen Mediationsverfahren kombiniert werden, um eine bestmögliche Lösung zu erarbeiten.

Wie wichtig ist Vertraulichkeit in der narrativen Mediation?
Antwort: Vertraulichkeit spielt eine entscheidende Rolle in der narrativen Mediation, da die Konfliktparteien ihre persönlichen Geschichten und Emotionen teilen. Der Mediator ist dazu verpflichtet, die Vertraulichkeit zu wahren.

Wie kann man sich auf eine narrative Mediation vorbereiten?
Antwort: Eine Vorbereitung auf die narrative Mediation ist nicht notwendig. Es ist jedoch hilfreich, sich auf die Sitzungen vorzubereiten, indem man sich Gedanken über die eigenen Bedürfnisse und Ziele macht, die man in der Mediation erreichen möchte.

 

Zusammenfassung

narrative MediationNarrative Mediation ist ein Mediationsansatz, der in den 80er Jahren in Australien entwickelt wurde und auf der Bedeutung individueller Geschichten basiert. Diese Geschichten, geformt durch Erfahrungen und soziale Kontexte, beeinflussen das Denken und Handeln der Menschen und sind oft Ursache von Konflikten. Die Methode zielt darauf ab, durch Geschichtenerzählen Konflikte zu lösen und Beziehungen zu verbessern. Dabei identifizieren Mediatoren die Konflikterzählungen und unterstützen die Parteien dabei, alternative, konstruktive Erzählungen und Lösungsansätze zu entwickeln. Techniken wie "Doppelt Zuhören" oder "Externalisierung" helfen, die Perspektiven zu erweitern und das gegenseitige Verständnis zu fördern. Eine erfolgreiche narrative Mediation setzt Neutralität des Mediators, Offenheit der Parteien und klare Kommunikation voraus. Herausforderungen bestehen in stark unterschiedlichen Konflikterzählungen, emotionaler Belastung und einer potenziellen Unwilligkeit zur Veränderung.

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