Bei der Mediation handelt es sich um ein vertrauliches sowie strukturiertes Verfahren, bei dem die Medianden mit Hilfe des Mediators freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Konfliktbeilegung anstreben. Dem Grundsatz der Vertraulichkeit möchte ich mich heute etwas detaillierter widmen, weil ich diesen als besonders wichtig erachte.
Durch den Mediationsgrundsatz der Vertraulichkeit soll sichergestellt werden, dass die im Verfahren offenbarten Informationen nicht bei einem potenziell nachfolgenden Gerichtsverfahren zwischen den Parteien einseitig oder wechselseitig gegenüber der jeweils anderen Partei verwendet werden. Aus diesem Grund wird der Grundsatz der Vertraulichkeit immer zu Beginn einer Mediation erörtert und im Mediationsvertrag festgelegt. Möglich sind hierin auch Klauseln, die bei Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe und andere Sanktionen vorsehen.
Das bedeutet Vertraulichkeit für den Mediator
Das Gebot der Vertraulichkeit verpflichtet den Mediator einerseits, gegenüber der Außenwelt über die Inhalte und Informationen der Mediation strikt Stillschweigen zu bewahren. Auf der anderen Seite bedeutet für ihn Vertraulichkeit aber auch, dass er ihm von einer Partei anvertraute Informationen nicht gegenüber der anderen Partei offenbart.
Gesetzlich festgelegte Vertraulichkeit
Vertraulichkeit gilt als grundlegendes Element der Mediation. Definiert wird der Grundsatz in § 1 Mediationsgesetz schon durch die Begriffsbestimmung „Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren …“. Aus gesetzlicher Sicht hat die Vertraulichkeit dabei den Zweck, das Mediationsverfahren als ein nicht-öffentliches und geheimes Verfahren des Konfliktmanagements zu betrachten, das sich dadurch von den öffentlich durchgeführten Verfahren bzw. Gerichtsverfahren abgrenzt. Zum anderen soll das Merkmal sicherstellen, dass die im Mediationsverfahren ausgetauschten, ausgesprochenen oder generierten Informationen später nicht in einem Folgeprozess verwendet werden dürfen.
Der Vertraulichkeitsgrundsatz stellt also alle Beteiligten der Mediation unter Schutz. Durch eine Absprache, die auch noch nach dem Mediationsverfahren erfolgen kann, ist es möglich, die Vertraulichkeit zu beenden. Aus diesem Grund gilt die Vertraulichkeit aus juristischer Sicht als abdingbar und als Ausdruck der Eigenverantwortlichkeit von allen Beteiligten.
Vertrauen als Grundsatz zwischenmenschlicher Kooperationen
Vertrauen zueinander zu haben ist für zwischenmenschliche Prozesse der Kooperation wichtig und insbesondere in Konfliktsituationen nicht einfach zu erreichen. Offene Dialoge, die auf eine kreative Art und Weise die Interessen der Medianden austarieren sollen, setzen Vertrauen voraus. Umso verständlicher erscheint vor diesem Hintergrund der gesetzliche Versuch, gegenseitige Vertraulichkeit im Mediationsverfahren zuzusichern.
Vertraulichkeit ist und bleibt elementarer Bestandteil einer erfolgreichen Mediation. Die Bedingung für gegenseitiges Vertrauen gilt für das gesamte Verfahren, wobei neu gewonnenes Vertrauen zu den positiven Konsequenzen einer Mediation gehört.
Vertrauen und Vertraulichkeit
Der wechselwirkende Charakter von Vertraulichkeit und Vertrauen muss im Mediationsverfahren stets beachtet werden.
Der Psychotherapeut und Mediator Ed Watzke hat in diesem Zusammenhang mit der transgressiven Mediation eine interessante Methode entwickelt, die dieses Verhältnis völlig auf den Kopf stellt. Zu Beginn der Mediation werden die Medianden bei der transgressiven Mediation aufgefordert, bedingungslos und ohne Einschränkungen Frieden zu schließen. Sie müssen sich also schon vorher wieder „vertragen“. Es wird von den Medianden verlangt, sich zu trauen, sofort ohne Vorbehalte das beiderseitige Verständnis umzukehren. In extrem eskalierten Konflikten ist dies eine Zumutung, die trotzdem Früchte tragen kann. Denn erst dieser erklärte Friede kann eine derart ungewohnte Kooperation ermöglichen. Dieser Mediationsstil scheint unglaublich, hat sich jedoch bereits etabliert, weil er schlicht funktionieren kann.
Vertrauen und Vertraulichkeit - Chancen und Risiken
Verantwortlich für die Einhaltung der Vertraulichkeit in der Mediation sind alle Beteiligten – also Medianden und Mediator. Was sich auf der einen Seite als eine große Chance darstellt kann auf der anderen Seite auch gewisse Risiken bergen:
Niemand kann sich zu 100 % darauf verlassen, dass intime oder persönliche Informationen nicht doch nach außen dringen. Sollte dann noch das Mediationsverfahren scheitern, erhöht sich dieses Risiko und kann zu einem Schaden führen. Aus dieser Zuwiderhandlung könnten sich dann wiederum Schadensersatzansprüche ergeben, was in der Regel nur ein schwacher Trost und unzureichender Ausgleich für etwas darstellt, was nicht mit Geld wieder ausgeglichen werden kann.
In der Mediation kommt es vor, dass Medianden mangels Vertrauen schweigen, nicht offen sein können und dafür auch die Verantwortung übernehmen. Kommt es im Mediationsverfahren nicht zu einer Einigung nebst Abschlussvereinbarung wird niemandem dafür die Schuld gegeben oder Feigheit vorgeworfen. Denn niemand – weder der Mediator, noch das Gesetz – kann garantieren, dass Offenheit immer zur Lösung von Konflikten führt. Ganz im Gegenteil liegt es bei den Medianden, die im Laufe des Verfahrens die Entscheidung für sich treffen müssen, inwieweit sie sich öffnen, obwohl dies kein Garant für den erwünschten Erfolg bedeuten muss.
Offenheit ist nicht die einzige Bedingung in der Mediation. Wichtiger ist die Annahme, dass das Verfahren als gemeinsame Suche nach Sichtweisen in unbekannten und unsicheren Gefilden bedeutet. Auf diesem Weg kann es immer wieder zu Unfällen, Stolpersteinen und Kollisionen kommen.
Gesetzlicher Rahmen
Nach dem Gesetz gilt eine Verschwiegenheitsverpflichtung für die Mediatoren und potenzielle Hilfspersonen. In § 4 Mediationsgesetz heißt es zur Verschwiegenheitspflicht: „Der Mediator und die in der Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist …“.
Für die Medianden gibt es eine explizit gesetzlich festgelegte Verschwiegenheitspflicht jedoch nicht.
Die gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung schreibt Mediatoren und Hilfspersonen also vor, dass Dritten gegenüber keinerlei Informationen weitergegeben werden dürfen. Eine ausdrückliche Regelung zu Beweisverwertungsverboten oder Vortragsverboten in Bezug auf die in der Mediation generierten Informationen gibt es jedoch nicht. Gefunden werden diese Regeln dann eher in den Prozessordnungen der verschiedenen Gerichtszweige, wobei der Schutz durch gesetzliche Vertraulichkeitsregelungen noch immer als unzureichend betrachtet werden kann.
Insbesondere in Unternehmensmediationen und ähnlichen Bereichen ist es für die Medianden aber außerordentlich wichtig, dass durch die Mediation keine Beweismittel verloren gehen oder hinzugewonnen werden. Hier können vertraglich vereinbarte Verwertungsverbote sinnvoll sein.
Vertraulichkeit kann Grenzen haben
Grundsätzliche Entscheidungen über die Weitergabe von vertraulichen Informationen werden im Strafgesetzbuch geregelt. In § 138 StGB heißt es beispielsweise: „Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm als … anvertraut oder sonst bekanntgeworden ist, wird … bestraft“.
Für bestimmte Berufsgruppen können Vertrauensbrüche also auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Mediatoren werden im Katalog der jeweiligen Berufsgruppen nach § 203 StGB nicht genannt. Relevant ist diese Strafnorm aber dennoch für vermittelnde Dritte oder Berufsgruppenzugehörige, wenn sie zur Mediation hinzugezogen werden. Dies betrifft beispielsweise häufig Sozialarbeiter, Psychologen oder Rechtsanwälte.
Offenbarungspflichten gelten trotzdem
Ebenfalls aus § 138 StGB kann sich jedoch auch eine Offenbarungspflicht ergeben, die sich auch über Informationen erstrecken kann, die vertraulich sind. Die Offenbarungsplicht dient der Allgemeinheit sowie potenziell bedrohten Personen. Informationen müssen danach weitergegeben werden, wenn diese Inhalte auf eine geplante Straftat ergeben. Eine falsch verstandene Verschwiegenheitspflicht würde hier nur zu einem strafwürdigen Unrecht führen. Es macht sich nach dem Gesetz der strafbar, der geplante Straftaten nicht zur Anzeige bringt.
Wer innerhalb eines Mediationsverfahrens darüber in Kenntnis gesetzt wird, dass durch eine Straftat bestimmte Probleme gelöst werden sollen, der muss Anzeige erstatten. Die Strafnorm umfasst dabei zukünftige Straftaten, nicht bereits begangene Delikte. Sofern in Trennungs- oder Scheidungsmediationen also schon begangene Erpressungen oder Raub-Delikte besprochen werden (was leider keine Seltenheit ist), so müssen diese nicht angezeigt werden.
Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht des Mediators
Den Mediator und seine Hilfspersonen trifft eine Verschwiegenheitspflicht, die sich auf Informationen aus dem Mediationsverfahren bezieht. Medianden werden nicht gesondert mit einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht belegt.
Aber auch für Mediatoren gelten Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht, sofern
- Gründe für eine Offenbarung im Sinne der öffentlichen Ordnung Vorrang haben
- die Tatsachen und Informationen offensichtlich nicht einer Geheimhaltung bedürfen
- die Offenlegung der Informationen für eine Vollstreckung der Mediationsvereinbarung notwendig sind
Es kann also sinnvoll sein, weitere Verschwiegenheitsverpflichtungen durch eine vertragliche Vereinbarung zu fixieren. Hierin könnte festgehalten werden, dass beispielsweise die Informationen aus der Mediation nicht zum Gegenstand eines potenziell nachfolgenden Prozesses gemacht werden sollen.
Unter Umständen kann einen Mediator oder seine Hilfspersonen ein Zeugnisverweigerungsrecht treffen, das sich zum Beispiel aus § 383 ZPO ergibt. Hier steht es im Ermessen der Medianden, von einer potenziellen Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. In Strafverfahren gibt es für Mediatoren grundsätzlich kein Zeugnisverweigerungsrecht.
Vertraulichkeit zwischen den Medianden
Von der Vertraulichkeitsnorm sind nur Mediatoren und ihre Hilfspersonen umfasst. Die Vertraulichkeit der Medianden untereinander wird gesetzlich nicht festgelegt. Hier muss auf die Mediationsabrede zurückgegriffen werden, die auch eine Verschwiegenheitspflicht zwischen den Medianden regeln kann. So kann auch hier festgelegt werden, dass die Nutzung und Verwertung der in der Mediation zugänglich gemachten Informationen in einem späteren Gerichtsverfahren ausgeschlossen wird. Gesichert werden können diese Regelungen durch Vertragsstrafen, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche.
Letztendlich ist die Vertraulichkeit Grundvoraussetzung in der Mediation, die Vorteile sowie Risiken birgt und mit einem hohen Maß an Komplexität und Sorgfalt betrachtet werden muss.