Die evaluative Mediation stellt eine Besonderheit unter den Mediationsarten dar, da sie einem Gerichtsverfahren sehr nahe kommt und die Einflussnahme des Mediators entsprechend verstärkt wird. Die evaluative – also wertende oder bewertende – Mediation korrespondiert mit einem Gerichtsprozess und kann den Ausgang des Verfahrens vorwegnehmen.
In der evaluativen Mediation werden die Konfliktparteien vom Mediator dadurch unterstützt, indem er die juristische Argumentation prüft und Schwachpunkte des Falles herausarbeitet. Er kann Empfehlungen in Bezug auf das Ergebnis machen und orientiert sich in erster Linie an der rechtlichen Situation. Nicht selten handelt es sich bei dem Mediator deshalb auch um eine Person mit juristischem Vorwissen oder Hintergrund.
Die evaluative Mediation kann sich in ihren Abläufen in unterschiedliche Richtungen bewegen und sogar in eine facilitative Mediation oder transformative Mediation übergehen.
Positionen oder Interessen
Der Ablauf der evaluativen Mediation wird durch zwei Grundrichtungen geregelt. Sie kann sich nach den Positionen oder den Interessen richten. Richtet sie sich nach den Interessen der Parteien und wird stark von Emotionen begleitet, geht die Mediation in ein facilitatives oder ein transformatives Verfahren über.
Die evaluative Mediation gründet auf juristischem und psychologischem Wissen. Die aus der Psychologie bekannten Gesprächstechniken sorgen in Kombination mit dem strukturierten Ablauf und dem sich daraus resultierenden Kontext zu einer Entwicklung, bei der die Interessenerklärung automatisch zur Konfliktarbeit führt. Im Vordergrund steht das Erleben des Konflikts und die Konfliktarbeit, durch die sich die Konfliktparteien in die Lage des jeweils anderen versetzen. Durch die veränderte Sichtweise fällt es den Parteien leichter, die streitbefangenen Verhältnisse neu zu gestalten.
Der Mediator in der evaluativen Mediation
Der evaluative Mediator versteht sich als „Dealmaker“, der den umstrittenen Fall durch geschickte Intervention zu einer für beide Parteien akzeptablen Vereinbarung führt. Und dennoch bleibt der Mediator in seiner Rolle als überparteilicher Dritter, der sich auf die widersprechenden Forderungen oder Ansprüche sowie die Angebote der Konfliktparteien fokussiert. Bei den Verhandlungen konzentriert er sich, wie auch bei einer Gerichtsverhandlung, auf inhaltliche Positionen. Aus diesem Grund gibt der Mediator auch die Abläufe der evaluativen Mediation direktiv vor.
Mögliche Vorgehensweise des Mediators
Auch wenn bei der evaluativen Mediation kein bestimmtes Ablaufschema und keine speziellen Phasen vorgesehen sind, orientiert sich der Mediator am aktuellen Sachstand und wird das Mediationsverfahren in der Regel wie folgt strukturieren:
- Erklärung der Verhandlungsbereitschaft und des Einigungswillens der Konfliktparteien
- Ausführungen über die Vertraulichkeit der Verhandlungen
- Belehrung über die Verfahrensführung durch den Mediator, sein Interventionsrecht sowie seine Unparteilichkeit
- Festsetzung grundlegender Gesprächsregeln (sachlich-konstruktiv) zur Vermeidung von störender Kommunikation
- Konfliktbewertung durch den Mediator
- aktive Lösungsfindung
- zukunftsorientiert ausgelegte Abschlussvereinbarung
Vor Beginn der Mediationsverhandlung benötigt der Mediator Informationen und Briefings beider Konfliktparteien, um sich auf die Mediation vorzubereiten. Diese sollten sowohl die individuelle Sicht auf den Konflikt als auch entsprechende Maximal- und Minimal-Angebote oder -Forderungen enthalten. Des Weiteren ist die Mitteilungen eines Vergleichsangebotes im Vorhinein sinnvoll, damit der Mediator eine Verhandlungsstrategie entwickeln kann.
Bei der evaluativen Mediation ist es nicht unbedingt notwendig, dass die Konfliktparteien selbst miteinander reden. Die Kommunikation kann auch allein über den Mediator erfolgen, der in diesen Fällen auch Einzelgespräche führt. Dies gilt insbesondere dann, wenn Emotionen hochkochen und sich die Parteien gegenseitig beschimpfen oder beleidigen würden. Der Mediator wird einen entsprechenden Ton verbieten und beide Parteien an die Einhaltung von sachlich-konstruktiven Gesprächsregeln erinnern. Die Führung von Einzelgesprächen ermöglichen dem Mediator eine effektive Verhandlungsführung.
Keine „alten Geschichten“
Die evaluative Mediation wärmt keine alten Geschichten auf, sondern ist auf die Zukunft ausgelegt. Da der Mediator den Verhandlungsverlauf bestimmt und auch die inhaltliche Diskussion unterstützt, hat er auch Einfluss auf das Mediationsergebnis. Anders als bei anderen Mediationsarten wird bei der evaluativen Mediation nur für die Zukunft verhandelt und entschieden. Die absolute Zukunftsorientierung des Verfahrens erlaubt keine Diskussionen über schon einmal unterbreitete Angebote oder bereits gemachte Zugeständnisse.