Der Mediationsblog: Wissenswertes über Mediation und Streitbeilegung
Vertrauen – verbindet oder entzweit
Liebe Leserinnen und Leser!
Heute möchte ich mich einem ganz besonders sensiblem Thema widmen – dem Vertrauen! Sie fragen sich jetzt, was Vertrauen mit Konflikten oder der Mediation zu tun hat? Ganz einfach: Wenn wir einem anderen Menschen unser Vertrauen schenken, dann machen wir uns verletzlich. Wir könnten belogen, betrogen oder sogar verraten werden. Wird unser Vertrauen missbraucht oder besteht auch nur der kleinste Verdacht auf einen derartigen Vertrauensbruch, dann birgt dies eine ganze Menge Konfliktpotenzial.
Vertrauen – Gefühl mit Risiko
Als schwer wissenschaftlich zu erfassen gilt Vertrauen sogar für renommierte Hirnforscher wie dem Neurowissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. Niels Birbaumer von der Uni Tübingen, der sich dennoch von dem diffusen Gefühl immer wieder faszinieren lässt. Auf Vertrauen basiert schließlich unser gesamtes soziales Miteinander. Schon in der Werbung werden wir dazu aufgefordert, einem bestimmten Produkt, einer Dienstleistung, einer Marke oder einem Unternehmen zu vertrauen. Und zwischen Lebenspartnern, Freunden, Verwandten sowie auch zu Geschäftspartnern besteht in der Regel ein Vertrauensverhältnis. Ohne geht es nun mal nicht.
Kostbarer Schatz, den es zu bewahren gilt
Vertrauen ist jedem von uns wichtig. Ohne Vertrauen zu anderen Menschen würden wir uns allein und manchmal auch schwach fühlen, da dieses friedliche und geborgene Gefühl uns erst mit anderen zusammenführt. Durch Vertrauen entscheiden wir uns aber auch bewusst dafür, uns gegenüber einem anderen Menschen verletzbar zu machen.
Häufig wird die klassische Vertrauens-Übung absolviert, bei der sich jemand nach hinten fallen lässt und darauf vertraut, dass der andere ihn auffängt und so vor einem schmerzhaften Sturz bewahrt. Wissen können wir jedoch nicht, ob wir auch wirklich aufgefangen werden. Diese Mitte zwischen Nichtwissen und Wissen oder Unsicherheit und Sicherheit nennt sich Vertrauen. Als Gefühl stärkt Vertrauen zwischenmenschliche Bindungen und sorgt für Einigkeit sowie Harmonie. Man kann Vertrauen nicht sehen oder anfassen, aber haben, schenken, verletzen oder missbrauchen.
Benötigt wird Vertrauen immer dann, wenn wir unseren Einfluss und unsere Kontrolle abgeben müssen. Durch Vertrauen nehmen wir an, dass etwas in unserem Sinne geschieht. Wenn es um Vertrauen geht, geht es auch automatisch immer um ein Risiko und ein kleines bisschen Angst.
Mehr Vertrauen – weniger Konflikte?
Schenken wir zum Beispiel bei einer Wahl einem bestimmten Politiker unser Vertrauen und hält dieser dann seine Versprechen nicht ein, dann hat er nicht nur unser Vertrauen verloren, sondern muss mit Gegenwehr rechnen. Noch schmerzhafter wird ein Verlust oder der Missbrauch des Vertrauens aber im zwischenmenschlichen Bereich; beispielsweise bei Lug und Betrug in der Partnerschaft. Vertrauen bedeutet hier Zuverlässigkeit, Vorhersagbarkeit sowie Treue. Im Gegenteil bedeutet der Verrat des Vertrauens einen Abgrund aus Verletzung, Kränkung, Demütigung, Schmerz und Schwäche.
Vertrauen gewinnen und behalten kann man nur, indem man die Erwartungen seines Gegenübers erfüllt. Menschen, deren Vertrauen zu oft verletzt wurde, werden misstrauisch. Einen Vertrauensbruch wieder aufzuarbeiten kann schwierig sein. Reue allein reicht oft nicht aus, um Vertrauen wieder herzustellen. Neben einer Entschuldigung und Bekenntnis zur Besserung kann es hilfreich sein, sein Verhalten aktiv zu erklären. Je nach Konflikt sollte eine Entschädigung geleistet und Wohlwollen bewiesen werden. Dass eine Vertrauensbasis auch nur dann wieder aufgebaut werden kann, wenn weiterhin freundlich und verlässlich agiert wird, dürfte klar sein. In diesen Fällen helfen ausnahmsweise mal Taten mehr als Worte. Auf das Verhalten kommt es an.
Manche Menschen vertrauen mehr – andere weniger
In dem Begriff „vertrauensselig“ liegt häufig sehr viel Häme, obwohl Gutgläubigkeit, Naivität oder Grundvertrauen grundsätzlich nichts Schlechtes bedeuten. Manche Menschen vertrauen mehr als andere, was seinen Ursprung oft in der Kindheit hat. Zur Welt kommen alle Menschen mit dem Urvertrauen darauf, dass unsere Eltern uns lieben, versorgen und beschützen.
Auch wenn die Fähigkeiten von Kleinkindern begrenzt erscheinen, entwickeln sie doch recht schnell feine Fühler dafür, wem sie vertrauen können und wem nicht. Kinder mit einer von Vertrauen geprägten Kindheit werden zu vertrauensvollen Erwachsenen, sofern sie im Laufe ihres Lebens nicht allzu häufig in ihrem Vertrauen verletzt werden. Werden Kinder ohne vertrauensvolle Verbindungen und Geborgenheit groß, fehlt ihnen dieses Gefühl auch im späteren Leben.
Vertrauen in der Mediation
Auch im Bereich der Mediation muss ich mich als Mediator schon früh mit dem Vertrauen auseinandersetzen. Bereits das Mediationsgesetz definiert die Mediation als vertrauliches Verfahren, das also diskret zu behandeln und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Meine Medianden müssen mir daher vertrauen, dass Inhalte aus dem Mediationsverfahren in den eigenen Reihen bleiben.
Vertrauen gleicht der Überzeugung auf Zuverlässigkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit. Meine Medianden müssen in das Mediationsverfahren vertrauen. Sie müssen aber auch ein Stück weit dem jeweils anderen und vor allem sich selbst vertrauen. Nicht zuletzt müssen alle Beteiligten mir als Mediator vertrauen und darauf setzen, dass eine Lösung für den Konflikt möglich ist und vielleicht sogar gefunden werden kann.
Ich kann nicht erzwingen, dass Medianden das Gefühl des Vertrauens besitzen. Vertrauen muss aufgebaut werden und auf natürliche Art und Weise entstehen. Zwischen den Medianden ist das Vertrauen zum Zeitpunkt der Mediation in der Regel verspielt – sonst gäbe es wahrscheinlich gar keinen Konflikt. Hier muss ich versuchen, aus Misstrauen wieder eine vertrauensvolle Basis für eine Zusammenarbeit zu schaffen. Diese Art der Beziehungsarbeit kann ich nicht erwirken, sondern nur begünstigen, was manchmal auch mit der Stärkung des Selbstvertrauens verbunden ist.
Besonders interessant ist zu diesem Zeitpunkt dann häufig die Verständigung auf einen vertrauensbildenden Weg, bei dem die Medianden die Diskrepanz zwischen Verstand und Gefühl bewusst wahrnehmen. Sie wissen, dass sie in der Mediation vertrauen sollten. Ihr Gefühl aus dem Konflikt sagt ihnen aber, dass sie das eigentlich nicht können oder wollen. Damit sich beide Seiten überhaupt wieder auf ein Vertrauensverhältnis einlassen können, muss in ganz kleinen und vorsichtigen Schritten aufeinander zugegangen werden. Als Mediator setze ich auf diesem Weg an verschiedenen Punkten Markierungen, führe unterschiedliche Sichten einer Klärung zu und arbeite gemeinsame Sichten heraus.
Aber auch mit Vertrauensbrüchen muss ich mich als Mediator in der Mediation befassen. Nicht selten vertrauen Medianden nur ihrer eigenen Wahrnehmung oder irgendwelchen vorher mal gehörten Ratschlägen. Wechseln sie im Verfahren dann jedoch die Perspektive, kann dieses Vertrauen erschüttert werden.
Vertrauen ist kein Glaube, sondern eine Emotion. Und Gefühle sind nun einmal keine verhandelbaren Tatsachen, sondern Botschaften. Wenn sich Medianden – und vielleicht auch alle anderen Menschen – über diese Tatsache mehr bewusst werden würden, dann könnte auch ich vertrauensvoll in eine konfliktärmere Zukunft blicken!
Bis zum nächsten Mal!
Ihr Frank Hartung
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