Der Mediationsblog: Wissenswertes über Mediation und Streitbeilegung
Potenzial und Grenzen der Mediation
Liebe Leserinnen und Leser!
Oft werde ich gefragt, ob eine Mediation bei diesem oder jenem Konflikt überhaupt Sinn machen würde. Eigentlich antworte ich dann immer, dass für eine Entscheidung der jeweilige Einzelfall berücksichtigt werden müsste. Aber noch mehr bemerke ich durch diese Art von Fragen, dass das Potenzial der Mediation noch immer vielen Menschen nicht bekannt oder bewusst ist.
Als Konfliktlösungsverfahren bietet die Mediation ein großes Potenzial und hat sich in vielen Bereichen fest etabliert. Im Gegensatz zu anderen Verfahren geht die Mediation bei der Konfliktlösung viel tiefer auf den Ursprung zurück, in dem der Konflikt überhaupt entstanden ist. Außerdem überlässt die Mediation die Verantwortung über die Lösungsfindung den Beteiligten, was bei juristischen oder tatsächlichen Entscheidungen durch Dritte nicht der Fall ist. Dies setzt jedoch voraus, dass die menschliche Ebene mit einbezogen wird. Die Medianden müssen befähigt werden, eigenständig und nachhaltig an einer Lösung für den Konflikt zu arbeiten. Der Erfolg eines Mediationsverfahrens hängt demnach entscheidend von der Eigenverantwortung der Medianden ab.
Eigenverantwortliches Handeln und seine Grenzen
Generell ist ein Mediationsverfahren geeignet, wenn sich alle Beteiligten auf Form, Ablauf, Prinzipien und Ziele einlassen können und – noch wichtiger - auch wollen. Von der Aufnahme des Mediationsverfahrens und Auswahl des Mediators bis hin zum Mediationsende liegen alle Verfahrensschritte allein in der Eigenverantwortung der Medianden.
Mediatoren verleihen der Mediation lediglich eine Struktur und öffnen den Raum für Verständigung und Verständnis. Jeder Beteiligte soll die gleiche Möglichkeit erhalten, sich innerhalb des geschützten Raumes der Mediation in eigener Geschwindigkeit zu bewegen und zu äußern.
Wenn also jemand aus unterschiedlichen - meist psychischen - Gründen nicht zu eigenverantwortlichem Handeln fähig ist, muss überprüft werden, ob und wie das Mediationsverfahren überhaupt durchgeführt werden kann. Menschen mit einer durch Demenz, Schlaganfall oder anderen Erkrankung eingeschränkten Ausdrucksfähigkeit könnten auf Vertrauenspersonen zurückgreifen, die für sie „sprechen“. Bestehen sprachliche Schwierigkeiten, kann mit Dolmetschern oder Gebärdensprachlern gearbeitet werden. Beides ist jedoch mit Herausforderungen verbunden, individuelle Sichtweisen und Interessen zu erarbeiten und zu verstehen. Hier werden schnell Grenzen in der mediativen Auseinandersetzung aufgezeigt; insbesondere auf der emotionalen Seite. Ist eine autonome Entscheidung eines Medianden auch nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten nicht möglich oder sinnvoll, scheidet das klassische Mediationsverfahren aus.
Ist eine Deeskalation möglich oder nicht?
Haben sich zwischen Medianden und Beteiligten Teams gebildet, die negative Rollen in den anderen bekämpfen oder in Erwartungshaltung destruktiven Verhaltens vom anderen „Lager“ ausgefochten werden, ist mit einer Konflikteskalation auf Stufe 4 oder 5 nach dem Glasl-Modell zu rechnen. Generell ist auf diesen Eskalationsstufen noch eine Mediation möglich und sinnvoll. Der Mediator bestärkt in diesen Fällen alle Beteiligten, ihr Erleben, ihre Aktionen und ihre Nöte zu äußern und zu verstehen. Eine klare und auf die Zukunft ausgerichtete Klärung von Interessen kann auf dieser Basis deeskalierend wirken und im nächsten Schritt dazu beitragen, sich wieder konstruktiv und mit Wertschätzung zu begegnen.
Es kann aber auch vorkommen, dass die Medianden kühl, konzentriert sowie ruhig in Richtung Einigung kommunizieren und dennoch der point of no return (Schwelle der Destruktivität) schon längst überschritten ist. Gemeint ist hiermit der Punkt, an dem alle Dinge ungebremst ihren Lauf nehmen und es kein Zurück mehr gibt. Oft stecken hinter diesen Verläufen alte Themen, die gar nicht Bestandteil der Mediation waren und dennoch emotional Einfluss auf das Verfahren nehmen. So gut verborgen kann auch ein Mediator diesen Lauf nicht mehr aufhalten.
Wenn Medianden an ihre Grenzen kommen
In der Mediation werden Medianden systematisch durch kommunikative Techniken schrittweise aus der Eskalation geführt. Ist den Medianden diese Dynamik bewusst, können sie durch eigene Entscheidung aus der Eskalation ausbrechen. Medianden werden im Konflikt gestärkt, sich auf sich selbst zu besinnen und Verantwortungsgefühl zu entwickeln.
Im Rahmen dieser Selbstklärung kann es insbesondere bei sehr emotionalen Konflikten dazu kommen, dass ein Mediand aufsteht und aus dem Raum geht. Manchmal halten Menschen innere emotionale Spannungsgefühle nicht lange aus, möchten aber dennoch lautstarke Streitigkeiten vermeiden. Auch schämen sich viele Menschen, wenn sie weinen müssen. Sie flüchten dann einfach, weil ihnen die Situation so unangenehm ist.
Als Mediator sollte man dieser Unterbrechung zunächst etwas Raum geben. In einem Einzelgespräch kann der Mediator versuchen, die Ursache für das Verlassen der Gespräche oder die Eskalation in Erfahrung zu bringen. Hierbei sollte geklärt werden, ob und welche Möglichkeit besteht, das Mediationsverfahren fortzuführen. Es ist wichtig, dass Medianden erkennen, dass alles sein darf – also auch Emotionen ihre Daseinsberechtigung haben und es jederzeit möglich ist, ohne Gesichtsverlust wieder zu den Verhandlungsgesprächen zurückzukehren. Nach einer Verdeutlichung der Konsequenzen eines Mediationsabbruchs liegt es jedoch nach wie vor in der Eigenverantwortung der Medianden, ob das Verfahren endgültig beendet oder aber weitergeführt werden kann.
Wann Mediatoren an ihre Grenzen kommen
Ein Mediator ist allen Medianden gegenüber gleichermaßen verpflichtet. Im Mediationsverfahren fördert er die Kommunikation und trägt dafür Sorge, dass alles in einem angemessenen und fairen Rahmen eingebunden wird. In seltenen Fällen kann der Mediator Probleme haben, sich in eine Person oder eine Sichtweise einzufinden. Vielleicht widerspricht die Sichtweise grundsätzlich nicht seinen Wertvorstellungen oder es bestehen andere Blockaden, die ein offenes und wertschätzendes Miteinander verhindern.
In der Mediation kommt es in erster Linie auf die innere Haltung des Mediators an, die sich auf die Steuerung des Verständigungsprozesses in der Mediation überträgt. Bei einer wertschätzenden und empathischen Grundhaltung erfahren Medianden verbal und non-verbal eine offene Begegnung und einen sicheren Rahmen, was Gespräche und Verhandlungen leichter erscheinen lässt. Die Haltung des Mediators muss jedoch „echt“ sein; ein Überspielen kann nicht gelingen.
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