Der Mediationsblog: Wissenswertes über Mediation und Streitbeilegung
Mediation im Kontext von Mobbing: Chance zur Lösung oder potenzielle Gefahr?
Mobbing am Arbeitsplatz beeinträchtigt das Wohlergehen der Mitarbeiter und die Produktivität des Unternehmens. Die Debatte um Mediation als Lösung für Mobbing nimmt zu, wobei die Wirksamkeit und Risiken diskutiert werden. Der Artikel erörtert die Aspekte der Mediation, deren Vor- und Nachteile und empfiehlt, in welchen Fällen Mediation angebracht ist oder wann andere Maßnahmen besser sind.
Was ist Mobbing?
Mobbing am Arbeitsplatz bezeichnet wiederholtes und systematisches Verhalten, das darauf abzielt, eine Person oder eine Gruppe von Personen zu belästigen, zu demütigen oder auszugrenzen. Dieses Verhalten kann sowohl die Arbeitsleistung als auch die persönliche Integrität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Mobbing manifestiert sich in unterschiedlichen Formen, darunter verbale Angriffe, soziale Isolation, Verbreitung von Gerüchten oder die bewusste Untergrabung der beruflichen Position einer Person.
Merkmale von Mobbing
- Systematisches Verhalten: Mobbing ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein fortlaufender Prozess.
- Wiederholte Handlungen: Die belästigenden Handlungen treten regelmäßig auf.
- Absicht: Es besteht die Absicht, die betroffene Person zu schädigen oder zu isolieren.
- Ungerechtfertigte Angriffe: Oft basieren Mobbinghandlungen auf unbegründeten Vorwürfen oder Missverständnissen.
Hat Mediation bei Mobbing immer Potenzial zur Lösung, oder birgt sie auch Risiken?
Die Mediation als Konfliktlösungsmethode hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, insbesondere in Fällen von Mobbing am Arbeitsplatz. Doch wie effektiv ist diese Methode tatsächlich? Und welche Risiken birgt sie?
Argumente für Mediation bei Mobbing
- Frühe Intervention
Mediation ermöglicht eine schnelle Intervention, bevor Konflikte eskalieren und schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. - Unparteiische Vermittlung
Ein neutraler Mediator kann helfen, die Kommunikation zwischen den Parteien zu verbessern und Missverständnisse auszuräumen. - Selbstbestimmte Lösungen
Die betroffenen Parteien haben die Möglichkeit, gemeinsam eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu erarbeiten. - Erhalt der Arbeitsbeziehung
Mediation kann dazu beitragen, beschädigte Beziehungen zu reparieren und eine konstruktive Arbeitsatmosphäre wiederherzustellen. - Kosteneffizienz
Im Vergleich zu langwierigen rechtlichen Verfahren ist Mediation in der Regel kostengünstiger.
Praktische Beispiele und Studien
Laut der Forschung von Moira Jenkins (2011) kann Mediation in den meisten Fällen von Mobbingvorwürfen passend sein. Sie betont jedoch, dass Mediation allein oft nicht ausreicht, um die zugrunde liegenden Ursachen von Mobbing nachhaltig zu bekämpfen. In ihrer Studie argumentiert sie, dass bei tieferliegenden strukturellen Problemen zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um einen dauerhaften Erfolg zu gewährleisten.
Argumente gegen Mediation bei Mobbing
Mediation wird als eine effektive Konfliktlösungsmethode betrachtet, doch ihre Eignung bei Mobbingfällen ist umstritten.
Machtungleichgewicht
Ein zentrales Argument gegen die Anwendung von Mediation bei Mobbing ist, dass der Täter oft mehr Macht oder Einfluss hat als das Opfer. Dieses Machtgefälle kann dazu führen, dass das Opfer sich während der Mediation weiter unterdrückt und traumatisiert fühlt und möglicherweise eine unfaire Einigung akzeptiert, nur um weiteren Mobbingattacken zu entgehen.
Verantwortung des Arbeitgebers
Bei Mobbing am Arbeitsplatz ist der Arbeitgeber hauptsächlich verantwortlich für die Konfliktlösung und muss ein sicheres Arbeitsumfeld gewährleisten. Die Nutzung von Mediation könnte jedoch dazu führen, dass der Arbeitgeber seine Verantwortung auf die Beteiligten überträgt und sich zurückzieht, was das Risiko birgt, dass das Mobbing fortbesteht und das Opfer sich im Stich gelassen fühlt.
Fehlende Einsicht des Mobbers
Mobber zeigen oft weder Einsicht noch Reue und können Mediation nutzen, um ihr Verhalten zu rechtfertigen. Dies kann das Opfer zusätzlich verletzen, ohne den Konflikt wirklich zu lösen.
Wiederholung des Mobbings
Bei der Anwendung von Mediation bei Mobbing besteht das Risiko, dass das Mobbing nach der Mediation wieder auftritt, falls der Mobber keine echte Einsicht oder Verhaltensänderung zeigt. Dies kann dazu führen, dass sich die Lage verschlechtert und das Vertrauen in die Mediation als Mittel zur Konfliktlösung beschädigt wird.
Schutz des Opfers
Bei Mobbing ist der Schutz und das Wohl des Opfers entscheidend. Eine Mediation kann das Opfer dem Täter wieder aussetzen und zu Angst und Unsicherheit führen, was möglicherweise eine zusätzliche Traumatisierung zur Folge hat.
Kritische Perspektiven aus der Forschung
Die Studie von Frieder Lempp, Kate Blackwood und Megan Gordon (2020) zeigt, dass während Mediation in vielen Fällen passend erscheint, sie allein nicht die tieferliegenden Ursachen von Mobbing adressieren kann. Die Nachhaltigkeit der erzielten Ergebnisse steht oft auf dem Spiel, wenn Mediation als einzige Intervention genutzt wird.
Situationen, in denen Mediation passt
Mediation kann in verschiedenen Kontexten und Konflikttypen effektiv eingesetzt werden. Besonders geeignet ist die Mediation in Situationen, in denen:
- Beide Parteien bereit sind, an der Lösung des Konflikts zu arbeiten: Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der Mediation.
- Der Konflikt auf Missverständnissen oder Kommunikationsproblemen beruht: Mediation kann helfen, klare Kommunikationswege zu etablieren und Missverständnisse zu klären.
- Es um persönliche Differenzen geht, die nicht auf strukturelle Probleme des Unternehmens zurückzuführen sind: Persönliche Konflikte zwischen Kollegen oder zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten können durch Mediation oft gelöst werden.
- Die Arbeitsbeziehung zwischen den Parteien erhalten bleiben soll: Mediation fördert eine konstruktive Kommunikation, die für eine positive Arbeitsatmosphäre entscheidend ist.
Anwendungsbeispiele
- Teamdynamiken verbessern
In einem Team, in dem Meinungsverschiedenheiten und Spannungen herrschen, kann Mediation dazu beitragen, die Zusammenarbeit zu stärken. - Konflikte zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern
Wenn ein Mitarbeiter das Gefühl hat, ungerecht behandelt zu werden, kann Mediation helfen, diese Wahrnehmung zu klären und Lösungen zu finden. - Interkulturelle Konflikte
In internationalen Unternehmen können kulturelle Unterschiede zu Missverständnissen führen, die durch Mediation adressiert werden können.
Spezielle Mediationsansätze für den Umgang mit Mobbing:
- No Blame Approach
Der No Blame Approach konzentriert sich darauf, Schuldzuweisungen zu vermeiden und den Fokus auf Lösungsmöglichkeiten zu legen. Dieser Ansatz fördert eine Atmosphäre des Verständnisses und der Zusammenarbeit, in der alle Beteiligten sich sicher fühlen, ihre Perspektiven offen darzustellen, ohne Angst vor Verurteilung oder Konsequenzen. - Farsta-Methode
Die Farsta-Methode, entwickelt vom Schwedischen Zentrum für Mediationsforschung, kombiniert traditionelle Mediationstechniken mit psychologischen Prinzipien, um ein tieferes Verständnis der zugrunde liegenden Emotionen und Motivationen der Beteiligten zu ermöglichen. Dieser Ansatz zielt darauf ab, nicht nur die äußeren Konflikte zu lösen, sondern auch die inneren Spannungen zu adressieren, die zu Mobbing führen können.
Situationen für alternative Maßnahmen
Es gibt jedoch auch Konfliktsituationen, in denen Mediation nicht die geeignete Methode ist und alternative Maßnahmen ergriffen werden sollten:
- Schwere Fälle von Mobbing oder Belästigung
Bei ernsthaften Fällen, in denen die betroffene Person eine Gefahr für das eigene Wohlbefinden empfindet, sind rechtliche Schritte oder ein formaler Beschwerdeweg oft angemessener. - Strukturelle oder systemische Probleme
Konflikte, die auf tief verwurzelten organisatorischen Problemen basieren, erfordern eine umfassendere strategische Intervention. - Unwille zur Teilnahme
Wenn eine Partei nicht bereit oder willens ist, an der Mediation teilzunehmen oder offen für einen Dialog zu sein, kann Mediation kontraproduktiv sein. - Rechtliche Vorgaben
In bestimmten Fällen, wie etwa bei schweren Verstößen gegen Arbeitsgesetze oder -richtlinien, ist eine formale Untersuchung und rechtliche Schritte erforderlich.
Alternativen zur Mediation
- Formelle Beschwerdeverfahren: Offizielle Wege zur Klärung von Konflikten, die von der Rechtsabteilung oder durch tribunale Instanzen durchgeführt werden.
- Disziplinarverfahren: Bei Verstößen gegen Unternehmensrichtlinien können Disziplinarmaßnahmen ergriffen werden.
- Interventionen von Vorgesetzten: Direkte Eingriffe durch höhere Führungskräfte können notwendig sein, um Konflikte zu lösen.
- Psychologische Unterstützung: Bereitstellung von Beratungsdiensten für betroffene Mitarbeiter, um deren Wohlbefinden zu unterstützen.
Der richtige Weg im Umgang mit Mobbing
Um effektiv gegen Mobbing vorzugehen, ist ein strukturiertes und umfassendes Konfliktmanagementsystem notwendig. Dieses sollte folgende Elemente beinhalten:
- Prävention durch Aufklärung: Sensibilisierung der Mitarbeiter und Führungskräfte für das Thema Mobbing und dessen Folgen.
- Klare Richtlinien und Verfahren: Etablierung von klaren Unternehmensrichtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Mobbing.
- Frühzeitige Intervention: Schnelles Eingreifen bei den ersten Anzeichen von Mobbing, um eine Eskalation zu verhindern.
- Vielfältige Lösungsansätze: Einsatz verschiedener Methoden wie Mediation, Schulungen oder rechtlicher Schritte, je nach Kontext und Schweregrad des Konflikts.
- Unterstützendes Arbeitsumfeld: Förderung einer Kultur des Respekts und der Offenheit, in der Mitarbeiter sich sicher fühlen, Konflikte anzusprechen.
Implementierung effektiver Maßnahmen
- Schulung von Führungskräften: Führungskräfte sollten darin geschult werden, Konflikte frühzeitig zu erkennen und angemessen zu handeln.
- Transparentes Beschwerdesystem: Ein zugängliches und vertrauliches System zur Meldung von Mobbingvorfällen muss etabliert sein.
- Regelmäßige Überprüfung der Arbeitskultur: Durch regelmäßige Umfragen und Feedbackmechanismen kann die Organisationskultur überwacht und bei Bedarf angepasst werden.
- Kooperation mit Experten: Zusammenarbeit mit Mediatoren oder Beratern, die über die notwendige Expertise verfügen, um komplexe Mobbingfälle zu bearbeiten.
Zusammenfassung
Mobbing am Arbeitsplatz schadet dem Wohlbefinden von Mitarbeitern und der Produktivität von Unternehmen. Es ist ein systematisches und wiederholtes Verhalten, das Personen schädigt oder isoliert.
Die Mediation wird zunehmend als mögliche Lösung diskutiert. Sie kann schnell intervenieren, neutrale Vermittlung bieten und ermöglicht selbstbestimmte Lösungen, um Arbeitsbeziehungen zu erhalten und ist oft kosteneffizienter als rechtliche Auseinandersetzungen.
Allerdings kann Mediation bei Machtungleichgewichten das Opfer zusätzlich traumatisieren und wenn der Täter keine Einsicht zeigt, kann das Mobbing wiederholen. Mobbingfälle erfordern manchmal rechtliche Schritte oder formale Beschwerdeverfahren. Ein effektives Konfliktmanagementsystem beinhaltet Prävention, Vielfalt der Ansätze und ein unterstützendes Arbeitsumfeld. Führungskräfte sollten für den Umgang mit Konflikten geschult werden und ein transparentes Beschwerdesystem ist nötig.
Kurze Antworten auf häufige Fragen
Ich werde häufig gefragt, inwieweit Mediation eine Chance zur Lösung von Mobbingfällen darstellt. Im Folgenden möchte ich einige dieser Fragen aufgreifen und beantworten:
Kann Mediation bei Mobbing tatsächlich zu einer Lösung führen?
Grundsätzlich ist Mediation eine effektive Methode zur Lösung von Mobbing, indem sie durch einen neutralen Vermittler dazu beiträgt, dass Beteiligte konstruktiv Konflikte lösen und eine für alle akzeptable Lösung finden.
Gibt es auch Fälle, in denen Mediation bei Mobbing nicht geeignet ist?
In manchen Situationen ist Mediation bei Mobbing nicht passend, etwa wenn eine Partei nicht teilnehmen möchte oder schon ernsthafte Schäden entstanden sind. Dann könnten professionelle Beratung oder rechtliche Schritte besser geeignet sein.
Besteht bei Mediation nicht die Gefahr, dass der Täter ungestraft davonkommt?
Mediation zielt darauf ab, eine für alle akzeptable Lösung zu finden und Konflikte zu lösen, nicht um den Täter zu bestrafen. Sie unterstützt auch, dass der Täter Verantwortung übernimmt und sich entschuldigt.
Ist Mediation im Kontext von Mobbing freiwillig oder kann sie auch angeordnet werden?
Mediation ist zwar freiwillig, kann jedoch auch von Gerichten oder Arbeitgebern vorgeschrieben werden. In diesen Fällen ist die aktive Teilnahme und Kooperation aller Beteiligten für den Erfolg des Verfahrens entscheidend.
Kann Mediation Mobbing vollständig beenden?
Mediation kann eine effektive Methode sein, um Mobbing zu beenden, da sie die Konfliktparteien dazu ermutigt, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Allerdings hängt der Erfolg auch von der Kooperationsbereitschaft der Beteiligten ab.
Wie lange dauert eine Mediation bei Mobbing?
Die Dauer einer Mediation hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Komplexität des Konflikts und der Kooperationsbereitschaft der Beteiligten. In der Regel dauert eine Mediation bei Mobbing jedoch mehrere Sitzungen, um eine nachhaltige Lösung zu erarbeiten.
Ist Mediation vertraulich?
Ja, Mediation ist ein vertrauliches Verfahren. Alle Gespräche und Informationen, die im Rahmen der Mediation ausgetauscht werden, unterliegen der Schweigepflicht und dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden.
Kann Mediation auch bei Mobbing in der Schule eingesetzt werden?
Ja, Mediation kann auch bei Mobbing in der Schule eingesetzt werden. Hier ist es wichtig, dass die Schulleitung und Lehrkräfte das Verfahren unterstützen und die Beteiligung der Eltern und Schüler*innen fördern.
Quellen
- Jenkins, M. (2011). "Practice Note: Is Mediation Suitable for Complaints of Workplace Bullying?"
--> https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/crq.21035 - Lempp, F., Blackwood, K., & Gordon, M. (2020). "Exploring the Efficacy of Mediation in Cases of Workplace Bullying."
--> https://www.emerald.com/insight/content/doi/10.1108/ijcma-09-2019-0145/full/html
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