Glossar Mediation

Narrative Mediation

Begriff Definition
Narrative Mediation

Narrative Mediation ist ein Ansatz, der in den 1990er Jahren von den amerikanischen Mediatoren John Winslade und Gerald Monk entwickelt wurde. Sie waren der Meinung, dass herkömmliche Mediationsmethoden, die sich auf die Suche nach gemeinsamen Interessen und Lösungen konzentrieren, oft nicht ausreichen, um komplexe und tief verwurzelte Konflikte zu lösen. Stattdessen schlugen sie vor, dass die Konfliktparteien dazu ermutigt werden sollten, ihre eigenen Geschichten zu erzählen und die Geschichten des anderen anzuhören, um ein tieferes Verständnis für die zugrunde liegenden Ursachen des Konflikts zu entwickeln.

Grundprinzipien der Narrative Mediation
Die Narrative Mediation basiert auf mehreren Grundprinzipien, die im Folgenden erläutert werden:

  1. Jeder Mensch hat eine einzigartige Geschichte:
    Narrative Mediation geht davon aus, dass jeder Mensch seine eigene Geschichte hat, die seine Wahrnehmung und sein Verhalten beeinflusst. Diese Geschichten sind geprägt von persönlichen Erfahrungen, Werten, Überzeugungen und Kultur.

  2. Konflikte entstehen durch unterschiedliche Geschichten:
    Konflikte entstehen oft, wenn Menschen unterschiedliche Geschichten über eine Situation haben. Diese Geschichten können sich auf die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft beziehen und können auf Missverständnissen, Vorurteilen oder ungelösten Emotionen basieren.

  3. Die Macht der Sprache:
    Narrative Mediation betont die Bedeutung der Sprache und wie sie unsere Wahrnehmung und unser Denken beeinflusst. Durch die Verwendung von bestimmten Worten und Begriffen können wir unsere Geschichten und damit auch unsere Sicht auf den Konflikt verändern.

  4. Konstruktivismus:
    Narrative Mediation basiert auf dem Konstruktivismus, der besagt, dass die Realität nicht objektiv existiert, sondern durch unsere individuellen Wahrnehmungen und Interpretationen konstruiert wird. Dies bedeutet, dass wir unsere Geschichten und damit auch unsere Wirklichkeit selbst erschaffen.

Anwendungsbereiche der Narrative Mediation
Die Narrative Mediation kann in verschiedenen Bereichen angewendet werden, einschließlich Familienmediation, Arbeitsplatzkonflikte, Nachbarschaftsstreitigkeiten und sogar in der internationalen Diplomatie. Sie kann auch in der Therapie, im Coaching und in der Organisationsentwicklung eingesetzt werden, um die Kommunikation und das Verständnis zwischen den Beteiligten zu verbessern.

Vorteile der Narrative Mediation
Die Narrative Mediation bietet mehrere Vorteile gegenüber herkömmlichen Mediationsmethoden. Dazu gehören:

  1. Tieferes Verständnis
    Durch das Erzählen und Anhören von Geschichten können die Konfliktparteien ein tieferes Verständnis für die Perspektiven und Motivationen des anderen entwickeln. Dies kann zu einer besseren Kommunikation und einem besseren Verständnis führen.

  2. Fokus auf die Beziehung:
    Narrative Mediation legt Wert auf die Beziehung zwischen den Konfliktparteien und nicht nur auf die Lösung des Konflikts. Indem die Beziehung gestärkt wird, können zukünftige Konflikte vermieden oder besser gelöst werden.

  3. Kreativität und Flexibilität:
    Da die Narrative Mediation nicht auf eine bestimmte Lösung oder einen bestimmten Kompromiss abzielt, bietet sie den Konfliktparteien die Möglichkeit, kreativ und flexibel zu sein und gemeinsam eine Lösung zu finden, die für beide Seiten akzeptabel ist.

Grenzen der Narrative Mediation
Trotz ihrer Vorteile hat die Narrative Mediation auch einige Grenzen. Dazu gehören:

  1. Zeit- und Ressourcenintensiv:
    Da die Narrative Mediation darauf abzielt, eine tiefere Ebene des Verständnisses zu erreichen, kann sie zeitaufwändiger und ressourcenintensiver sein als herkömmliche Mediationsmethoden.

  2. Nicht für alle Konflikte geeignet:
    Die Narrative Mediation ist möglicherweise nicht für alle Arten von Konflikten geeignet, insbesondere für solche, die eine schnelle und konkrete Lösung erfordern.

Ein Beispiel für eine narrative Mediation im Erbkonflikt könnte folgendermaßen aussehen:
Zwei Geschwister, die seit dem Tod ihrer Eltern zerstritten sind, suchen Hilfe bei einer Mediatorin. Jeder der Geschwister hat seine eigene Version der Familiengeschichte und der Beziehung zu den Eltern. In der Mediation werden sie eingeladen, ihre Geschichten zu erzählen und zuzuhören, wie der andere die Dinge erlebt hat. Die Mediatorin hilft dabei, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Erzählungen zu erkennen und die Emotionen hinter den Geschichten zu verstehen.
Durch diesen Prozess können die Geschwister erkennen, dass ihre unterschiedlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen zu dem Konflikt geführt haben. Sie können auch erkennen, dass sie beide eine tiefe Verbindung zu ihren Eltern haben und dass diese Verbindung wichtiger ist als der Streit um das Erbe. Mit Hilfe der Mediatorin können sie gemeinsam eine Lösung finden, die für beide Seiten akzeptabel ist und die Beziehung zwischen ihnen wiederherstellen.

In einer narrative Mediation geht es also nicht nur darum, den Konflikt zu lösen, sondern auch darum, die Beziehung zwischen den Konfliktparteien zu verbessern. Durch die Anerkennung und Wertschätzung der unterschiedlichen Geschichten und Erfahrungen wird eine neue Grundlage für eine konstruktive Kommunikation geschaffen, die auch in Zukunft Konflikte vermeiden kann.

© 2025 Frank Hartung Ihr Mediator bei Konflikten in Familie, Erbschaft, Beruf, Wirtschaft und Schule

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