Der Mediationsblog: Wissenswertes über Mediation und Streitbeilegung
Vorteile der Wirtschaftsmediation
Liebe Leserinnen und Leser!
Vor Kurzem habe ich eine Mediation durchgeführt, von der ich heute berichten möchte, da ich anhand dieses Beispiels die vielen Vorteile der Wirtschaftsmediation gut erklären kann:
Kontaktiert wurde ich von zwei Geschäftsführern eines mittelständischen Handwerksbetriebes. Es handelt sich um eine kleine, seit vielen Jahren bestehende Reparatur-Werkstatt für Kraftfahrzeuge. Zum Konflikt ist es gekommen, weil der eine Geschäftsführer das Unternehmen im Rahmen einer Expansion um einen Gebrauchtwagen-Markt erweitern wollte. Der andere Geschäftsführer konnte sich mit der Idee aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Lage (Corona-Pandemie!) nicht anfreunden und wollte es lieber dabei belassen, weiterhin ein solider Ansprechpartner für Reparaturen und Beseitigung von Unfallschäden zu bleiben. Die beiden Geschäftsführer tragen die Verantwortung für elf fest angestellte Mitarbeiter.
Nach einigen Wochen ist der Streit zwischen den Geschäftsführern eskaliert. Die Mitarbeiter haben unter der Anspannung und den kontinuierlichen Auseinandersetzungen gelitten. Ein langjährig beschäftigter Mitarbeiter hat sich dann ein Herz gefasst und den Geschäftsführern vorgeschlagen, eine Mediation durchzuführen. Alsdann wurde ich kontaktiert.
Die Mediationsverhandlungen
Im Gespräch stellte sich heraus, dass beiden Geschäftsführern das Unternehmen sehr wichtig ist. Die Werkstatt besteht seit mehr als 10 Jahren, sodass auf Erfolge, Niederlagen und den Verlauf der Partnerschaft zurückgeblickt werden konnte. Auch in der Vergangenheit gab es bereits unterschiedliche Sichtweisen und Konflikte. Bislang konnte jedoch immer eine Strategie gefunden werden, damit umzugehen.
Erörtert wurden die Interessen und Bedürfnisse, die sich hinter den Wünschen nach einer Expansion bzw. hinter dem Erhalt des aktuellen Status verbergen. Des Weiteren wurde darüber gesprochen, wie das Unternehmen in der Außenwirkung von Kunden und Mitarbeitern wahrgenommen wird. Diskutiert wurden auch die Kosten, Risiken und Chancen, die eine Geschäftserweiterung mit sich bringen würde. Alle Einzelheiten an dieser Stelle zu erläutern, würde hier den Rahmen sprengen. Jedoch kamen alle Details auf den Tisch und wurden nach Pro und Contra diskutiert.
Danach hat der eine Geschäftsführer erkannt, dass es ihm bei seiner geplanten Geschäftserweiterung darum geht, durch den An- und Verkauf von Gebrauchtwagen mehr Kunden zu generieren, da potenzielle Reparaturen an den Fahrzeugen ja kostengünstig selbst durchgeführt werden könnten. Ihm schwebt ein „alles aus einer Hand Konzept“ vor, wodurch er den Kundenkreis erweitern möchte. Gedanklich vernachlässigt hat er in diesem Zusammenhang den dafür notwendigen Ausbau des Firmengeländes, die Kosten für Fahrzeugankauf sowie Ersatzteile und die Personalplanung. Das bislang beschäftigte Personal ist nahezu ausgelastet, sodass für den Gebrauchtwagenmarkt sowohl für Ankauf, Reparatur, Beratung und Verkauf Personal eingestellt werden müsste.
Der andere Geschäftsführer möchte kein Risiko eingehen und in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten unnötig Geld für Umbauten, Anschaffungen und mehr Personal ausgeben. Er ist der Meinung, dass aktuell nur wenige Menschen Autos kaufen, sondern ihr Geld lieber sparen. Insbesondere das bereits bestehende Personal liegt ihm am Herzen. Er fühlt sich in der Verantwortung und möchte keine Arbeitsplätze riskieren. Würde die Expansion „schief gehen“, wären schließlich auch die Mitarbeiter gefährdet.
Beide Geschäftsführer wurden von mir zu Perspektivwechseln und Betrachtung der jeweils anderen Sichtweise angeregt. Bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten zeigten beide erfreulich viel Kooperationsbereitschaft. Da vor dem Werkstattgebäude noch etwas Platz für eine Fahrzeugpräsentation von drei bis fünf Fahrzeugen vorhanden ist, vereinbarten die Geschäftsführer, dass dieser probeweise für einen potenziellen Verkauf genutzt werden könnte. Um das Risiko für das Unternehmen und die Mitarbeiter möglichst gering zu halten, haben sich beide darauf geeinigt, zunächst nur Fahrzeuge von Kunden anzukaufen, die diese wegen eines Unfallschadens nicht mehr haben möchten. Dies, weil die internen Reparaturkosten geringer ausfallen und die Gewinnmarge entsprechend höher. Bei dieser Konstellation muss zunächst auch kein zusätzliches Personal eingestellt werden.
Auf diese Lösungen konnten sich beide Geschäftsführer einigen, ordneten die Eskalation des Konflikts dem allgegenwärtigen Stress zu und haben sich verabredet, noch einmal über Geschäftserweiterungen zu sprechen, wenn sich die wirtschaftliche Situation nächstes Jahr verbessert haben sollte.
Ich denke, dass dies ein gutes Beispiel für eine Win-Win-Situation ist: Beide Geschäftsführer haben sich irgendwo in der Mitte getroffen und sind Kompromisse eingegangen. Der Status des Unternehmens bleibt erhalten und ein Gebrauchtwagen-Markt wird vorsichtig nach und nach etabliert. Die Zeit wird jetzt zeigen, ob sich die Geschäftserweiterung „lohnen“ wird. Bis dahin wird kein großes Risiko eingegangen.
Die Verabredung, das neue Geschäftsfeld erst ausgiebig zu testen und sich in einem Jahr noch einmal darüber zu unterhalten, betrachte ich als krönenden Abschluss der Mediation. Hier zeigt es noch einmal ganz deutlich, dass Mediationsverfahren zwar die Vergangenheit behandeln, aber dennoch deutlich auf die Zukunft ausgerichtet sind.
Besonderheiten der Wirtschaftsmediation
Maßstab für eine Konfliktlösung in der Wirtschaft ist Wertschöpfung, die in Geld gemessen werden kann. Hierzu gehören beispielsweise auch wechselseitige Vertragsschlüsse mit Vorteilen für beide Vertragsparteien. Die Wirtschaftsmediation fokussiert diese Wertschöpfung trotz Vorhandenseins eines Konflikts. Zu den anerkannten Werten gehören hier die jeweiligen Personen und Beziehungen mit ihren für den Wettbewerb notwendigen Kapazitäten.
Durch die Wirtschaftsmediation lassen sich B2B-Konflikte zwischen Unternehmen, Konflikte mit Kunden und Konflikte zwischen Gesellschaftern, Managern und Mitarbeitern behandeln bzw. lösen. Des Weiteren kann durch eine Wirtschaftsmediation auch ein Konfliktmanagementsystem im Unternehmen etabliert oder eine Fusion sinnvoll begleitet werden.
Der Einsatz der Wirtschaftsmediation entlastet durch das sachlich strukturierte Verfahren, sodass Interessen geklärt und kreative Lösungen gefunden werden können. Durch die gegebene Vertraulichkeit und Diskretion gelangen keinerlei sensible Informationen in falsche Hände. Lediglich die interessensorientierte Ausrichtung der Lösungsansätze macht sich auch im Unternehmen, bspw. bei Mitarbeitern, positiv bemerkbar. Zudem lässt sich die Wirtschaftsmediation flexibel planen und durchführen, sodass Konflikte in der Regel kurzfristig gelöst werden können. Auch dies ist mitunter ein Grund, weshalb die Wirtschaftsmediation einen Großteil klassischer Konfliktkosten einsparen kann.
Der oft unterschätzte Faktor der Konfliktkosten
Die komplexen Problemstellungen von Konflikten können in der Unternehmens- und Arbeitswelt heute nicht mehr von „oben nach unten“ reguliert oder delegiert werden. Dann nämlich werden Innovationsgeist und Kreativität aller Beteiligten in Mitleidenschaft gezogen. Eine schlechte Arbeitsatmosphäre macht sich dann auch bei den Umsätzen des Unternehmens bemerkbar. Auch durch Krankmeldungen und Kündigungen wegen Mobbing oder allgemeiner Unzufriedenheit entstehen einem Unternehmen nicht unerhebliche Kosten.
Konfliktkosten entstehen durch schwelende und ungelöste Konflikte. Sie nehmen viel Zeit ein, die auf allen Führungs- und Arbeitsebenen besser in die eigentliche Arbeit investiert werden könnte. Durch Konflikte werden häufig Projekte verzögert, was wiederum die Kundenbindung belasten kann. Die Mitarbeiter sind weniger motiviert, sodass Leistungseinbußen die Folge sind. Konflikte im Unternehmen haben daher auch Auswirkungen auf das Image des Unternehmens, was vor dem Hintergrund der Wettbewerbsfähigkeit auch nicht unberücksichtigt bleiben darf.
Bevor also Konflikte die gesamte Arbeitsatmosphäre „verpesten“, die Mitarbeiter krank werden oder kündigen, Kunden das Weite suchen und das Unternehmen an Einfluss und Außenwirkung verliert – denken Sie einmal über eine Wirtschaftsmediation nach!
Bis dahin bleiben Sie frohen Mutes!
Ihr Frank Hartung
Wenn Sie den Blog abonnieren, senden wir Ihnen eine E-Mail, wenn es neue Updates auf der Website gibt, damit Sie sie nicht verpassen.