Der Mediationsblog: Wissenswertes über Mediation und Streitbeilegung
Mit gewaltfreier Kommunikation gegen Wut und Ärger
Liebe Leserinnen und Leser!
Mit Sicherheit kennen auch Sie Situationen, in denen Sie sich maßlos über andere Menschen oder Dinge ärgern. Ja, auch mir geschieht dies häufig, obwohl ich als Mediator und Coach auf den Umgang mit Emotionen sensibilisiert bin. In einem langen Stau oder bei einem Fußballspiel können auch meine Nerven ganz schön strapaziert werden. Gut ist aber, dass ich mich recht schnell wieder daran erinnere, wie ich mit Wut und Ärger umgehen kann. Mit Hilfe der kurz GFK genannten gewaltfreien Kommunikation lässt sich Ärger mit etwas Übung nämlich förmlich in Luft auflösen.
Auslöser und Ursachen trennen
Ärger macht sich in uns breit, wenn etwas geschehen oder eben nicht geschehen ist. Beispielsweise dann, wenn eine Verabredung ohne ordentliche Absage einfach nicht eingehalten wird. Automatisch entwickeln wir dann negative Gedanken, die schnell in Ärger umschwenken.
Nach dem Konzept der GFK sollten diese (ab-)wertenden Gedanken ruhig erst einmal zugelassen werden. Wenn man, wie im genannten Beispiel, versetzt worden ist, führt dies automatisch zu einer gedanklichen Schuldzuweisung. Auch der Wunsch nach einer Bestrafung als Rache liegt nahe. Nachdem diese Gedanken zugelassen und verarbeitet worden sind, muss aber die Erkenntnis folgen, dass dieser Ärger und vermeintliche Rache-Aktionen niemandem helfen.
Mit etwas Abstand sehen die Dinge anders aus. Wertfrei betrachtet sind nämlich die eigenen Gedanken Ursache für das Ärger-Gefühl. Die Ursache im Inneren ist der Ärger, weil dem anderen schlechte Motive unterstellt werden. Menschen sind so gestrickt, dass sie die Schuld immer bei anderen suchen, um sich nicht mit sich selbst beschäftigen zu müssen. Hier muss nun aber eine Trennung erfolgen: Statt den anderen mit gedanklichen Vorwürfen zu konfrontieren sollte das Ärgernis auf das eigene Bedürfnis gestützt werden. Aus „ich bin sauer, weil du nicht gekommen bist“ wird also „ich bin ärgerlich, weil ich deine Hilfe brauchte“.
Mit dem Bewusstsein dafür, dass ärgerliche Dinge mit oder auch ohne eigene Einwirkung einfach geschehen können, lösen sich Wut und Ärger zügig auf.
Kleines Ärger-Mantra gefällig?
- Ärger liegt immer an den eigenen Interpretationen und Urteilen.
- Ärger liegt immer am eigenen Umgang mit Geschehnissen.
- Ärger kocht nur dann hoch, wenn man dies zulässt.
Eigene Bedürfnisse analysieren
Ursache für Wut und Ärger sind nach der GFK die eigenen Urteile und Interpretationen, die auf eine verzerrte und entfremdete Weise die eigenen – unerfüllten – Bedürfnisse zum Ausdruck bringen. Jetzt gilt es, genau diese unerfüllten Bedürfnisse herauszufiltern. Was brauche ich, was mir der andere nicht erfüllt hat? Habe ich das Bedürfnis nach Unterstützung? Wünsche ich mir Zuverlässigkeit? Brauche ich Hilfe, weil ich etwas alleine nicht schaffe? Nach den Regeln der GFK wird zunächst das stärkste Bedürfnis analysiert, weil an unterschiedliche Bedürfnisse verschiedene Emotionen geknüpft sind und sich dann davon auch variable Bitten ableiten lassen.
Gefühle identifizieren
Wenn fest steht, welches Bedürfnis durch das Ärgernis nicht erfüllt wurde, kann auch das dahinter versteckte Gefühl identifiziert werden. Zwar gilt Ärger selbst auch als Gefühl, aber in der Regel verbirgt sich noch ein anderes Gefühl dahinter. Auch hier wird bei der GFK der Fokus auf das stärkste Gefühl gelegt.
Ist das unerfüllte Bedürfnis zum Beispiel Sicherheit, verbergen sich hinter dem Ärger wahrscheinlich Hilflosigkeit oder Angst. Es ist aber nicht mehr der Ärger, der zu Beginn noch zu spüren war. Der Ärger wurde durch die Gedanken verursacht. Sich aber mit der dahinter liegenden Hilflosigkeit oder Angst zu beschäftigen, bedeutet gleichzeitig, dass kein Raum mehr für Rachegelüste bleibt. Wer jetzt ehrlich zu sich selbst ist, der macht sich auf die Suche nach einer Lösung gegen die versteckten Emotionen. Denn Ärger vergiftet nur und verhindert, dass wir uns mit eigenen Ängsten und Gefühlen auseinandersetzen. Ganz im Gegenteil konzentrieren wir uns nur darauf, was andere falsch gemacht haben. Positiv betrachtet haben Wut und Ärger eine Schutzfunktion inne, damit wir uns nicht mit uns selbst beschäftigen müssen.
Bitten formulieren
Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir, wer oder was Auslöser für den Ärger war und welches Bedürfnis nicht erfüllt worden ist. Auf GFK Weise „durchanalysiert“ wird ein Verständnis für die gesamte Situation entwickelt. Dem handlungsorientierten Aufbau der GFK ist es zu verdanken, dass jetzt noch nicht Schluss ist. An dieser Stelle wird nämlich darüber nachgedacht, was getan werden kann, um das Bedürfnis erfüllt zu bekommen. Wir können und sollten schlicht und ergreifend darum bitten. Man kann um einen neuen Termin, um Hilfe oder um Unterstützung bitten. Die Formulierung einer Bitte hilft gleichzeitig, auch Ängste, Hilflosigkeit und andere Gefühle zu verarbeiten.
Einfluss auf andere
Zugegeben, die Transformation von Ärger nach den Grundsätzen der GFK bedarf etwas Übung. Aber stellen Sie sich vor, Sie können Ärger in konstruktives Handeln umwandeln. Auch wenn ein Vorgesetzter oder Ihr Partner wütend vor Ihnen steht, brüllen Sie nicht zurück oder ducken sich klein. Durch die GFK lernen Sie, sich selbst ernst zu nehmen und echt zu sein. Sie lernen Ihren Ärger letztendlich so auszudrücken, dass die Verbindung zu anderen Menschen leichter und besser wird. Und das für uns alle doch erstrebenswert, oder?
Bis zum nächsten Mal und bleiben Sie gesund!
Ihr Frank Hartung
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