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Die Beziehungsphasen in der Paarmediation

Liebe Leserinnen und Leser!

Die Paarmediation kann als eine Art Konfliktmanagement für Paare betrachtet werden. Mit einer Paarmediation werde ich entweder beauftragt, um ein spezifisches Streitthema durch strukturierte Lösungsprozesse zu verarbeiten oder aber, wenn die Beziehung anhaltend gestört und aus dem harmonischen Gleichgewicht geraten ist. Ziel der Paarmediation ist nämlich keine Trennung, sondern ein gemeinsamer Weg in die Zukunft. Und um diesen Weg zu erkennen und zu ebnen, muss ich als Mediator die Beziehungsphasen meiner Medianden einschätzen können und sie im Idealfall auch erörtern.

 

Wie sich Beziehungen entwickeln

PartnerschaftDie Phasen einer Beziehung teilen Entwicklung und Fortschritt in einer Partnerschaft ein. Beziehungen entstehen, entwickeln sich und verändern sich. Keine Beziehung ist plötzlich entsprungen und dauerhaft unverändert geblieben, sondern basiert auf einer dynamischen Begegnung und Entwicklung. Einzelne Schritte in dieser Entwicklung lassen sich als Beziehungsphasen beschreiben. Jedes Paar wünscht sich eine lebendige und harmonische Beziehung ohne Langeweile und Streit. Und dennoch können sich dynamische Veränderungen auch negativ auf das Beziehungsgefüge auswirken. Sie können verunsichern und zu Konflikten führen.
In einer Paarmediation werde ich häufig danach gefragt, wie diese Verunsicherungen aus dem Weg geräumt werden können. Im Wunschdenken hätten meine Medianden sicherlich gerne eine Vorhersage über den zukünftigen Verlauf und die Entwicklung der Beziehung, um sich darauf einstellen zu können. Ein Blick in die Glaskugel bleibt uns aber verwehrt. Denn es gibt keine allgemein gültige Gebrauchsanweisung für das Leben – und schon gar nicht, wenn es um Liebe und Beziehungen geht.
Als kleine Hilfestellung erkläre ich meinen Medianden die Beziehungsphasen, damit sie sich darin wiedererkennen und wiederfinden können. Wenn diese Phasen nämlich als eine Art „Gerüst“ betrachtet werden, lassen sich viel leichter Erklärungen und Lösungen finden. Und auch zum Durchhalten kann die Erläuterung der Beziehungsphasen motivieren. Dann nämlich, wenn man ein wenig abschätzen kann, was vielleicht noch kommt.

 

Beziehungsphasen in der Paartherapie

In der Paartherapie wird in bis zu fünf Phasen einer Beziehung unterschieden.

 

Suchphase

Was für eine Beziehung wir führen, hängt mitunter auch von der Partnerwahl ab. Wir gehen mit bewussten oder unbewussten Wunschvorstellungen an die Partnersuche, was eine Beziehung schon im Vorhinein gefährden könnte.
Wenn sich jemand beispielsweise einen Partner mit gleichen Ansichten, Interessen und Vorlieben sucht, sehnt er sich nach Altbewährtem. Die Beziehung soll so funktionieren wie die vorangegangene Partnerschaft oder aber die Beziehung der Eltern, die vor Kurzem doch noch Silberhochzeit gefeiert haben. Hinter diesen Wünschen verbirgt sich nicht selten eine Unsicherheit, die dazu führt, dass eine Beziehung ohne Chancen auf weitere Entwicklungen eingegangen wird. „Schleicht“ sich dennoch etwas Neues ein, werden meist ungeahnte oder unerwünschte Seiten am Partner entdeckt, was zu Enttäuschungen oder aber Trennungen führen kann. Wer jetzt ein wenig Mut aufbringt, könnte das Rad noch drehen und aus den Neuentdeckungen eine dynamische Beziehung gestalten, die Zukunft hat.
Menschen, in deren Leben bislang viel schiefgelaufen ist, suchen eher nach einem Erlöser oder eben einer Erlöserin. Sie hoffen, dass der neue Partner alles verändert und das Steuerrad komplett rumreißt. Der Wunsch nach dem richtigen Partner, mit dem endlich ein schönes Leben geführt werden kann, ist eine sehr hochgesteckte Erwartung und geht mit einem nicht zu unterschätzenden Druck für beide Seiten einher. Auch wenn sich diese Menschen einen kompletten Bruch mit ihrem bisherigen Dasein wünschen – dafür muss ein Höchstmaß an Energie und Kraft aufgebracht werden. Grundlegende Probleme werden nahezu immer in irgendeiner Weise mit in die neue Beziehung geschleppt und Fehler aus der Vergangenheit schleichen sich ebenfalls häufig wieder ein. Und ist der Partner dann gar nicht die Lösung aller Probleme, muss die nächste Enttäuschung nebst Trennung verarbeitet werden.
Und dann gibt es noch die, die sich auf die Suche nach dem Unmöglichen begeben. Ein Macho, der zärtlich und romantisch ist oder aber die abenteuerlustige Piratenbraut mit Hang zur Häuslichkeit. Kurzum - sie suchen nach der eierlegenden Wollmilchsau! Wer mit dieser Erwartungshaltung an die Partnersuche geht, möchte widersprüchliche Ziele verwirklichen. Es gibt Menschen, die derartige Widersprüche in sich vereinen. Diese Widersprüchlichkeit vom Partner aber einzufordern und dann auch damit umgehen zu können, steht auf einem ganz anderen Blatt.

 

Verlieben

Verlieben bedeutet, sich selbst in einen emotionalen Ausnahmezustand katapultieren zu lassen und nichts dagegen unternehmen zu können. Verlieben kann sogar mit einem psychiatrischen Syndrom verglichen werden. Es kommt zu einem Rauschzustand inklusive Herzrasen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen. Früher wurden Zweckgemeinschaften gegründet. Erst seit etwa 200 Jahren werden Partnerschaften wegen der Liebe gepflegt, was das Phänomen der Liebesheirat hervorgebracht hat. Verlieben und an diesem Gefühl auch festzuhalten, ist also relativ neu.
Trotz dieser durch und durch rosa-bebrillten Beziehungsphase sollte eines nicht vergessen werden: Früher oder später endet jeder Höhenflug - manchmal ist der Fall tief und die Landung auf dem Boden der Tatsachen hart! Dann nämlich, wenn nach und nach weniger ent- oder verzückende Seiten am Partner entdeckt werden, gleitet der Ausnahmezustand im besten Fall in den nüchternen Alltag über. Wird Verliebtsein und Liebe nicht konserviert, gepflegt und ab und an wieder hervorgekramt, kühlt die Beziehung ab und könnte scheitern.

 

Zusammenwachsen

In dieser Beziehungsphase wird es ernst. Paare verlassen langsam den Pfad der Verliebtheit, ziehen zusammen, heiraten und erleben einen gemeinsamen Alltag. Erschwert wird dies durch die Notwendigkeit, Regeln für die Partnerschaft aufzustellen und die gemeinsame Zukunft zu organisieren. Langfristige Ziele müssen zur Sprache gebracht und diskutiert werden, ob diese miteinander vereinbart werden können.

Die Liebe tritt dabei ein wenig in den Hintergrund. Dafür nimmt das Gewicht der Partnerschaft durch Vertrautheit und Verbundenheit zu. Da es in dieser Phase um den gemeinsamen Lebensentwurf geht, müssen beide auch in der Lage sein, eigene Vorstellungen zurückzustellen oder persönliche Ziele zu überdenken. Fehlt es an dieser Stelle an Kompromissbereitschaft, sind Konflikte und Krisen vorprogrammiert.

Das moderne Zeitalter hat viele verschiedene Lebensentwürfe etabliert. Es fällt immer mehr Menschen schwer, sich für das klassische Modell Ehe und Familie zu entscheiden. Bei der Vielfalt an Beziehungsmodellen kann deshalb die Wahl auch zur Qual werden. Aus diesem Grund agieren viele Menschen vorsichtig und legen sich nicht gerne fest.

 

Kinder, Karriere und andere Pläne

Irgendwann setzt sich jedes Paar mit der Frage auseinander, ob eine Familie gegründet werden soll. Sind die Kinder erst einmal da, muss noch intensiver an der Beziehung gearbeitet werden. Über Jahre hinweg fordern Kinder Energie und Aufmerksamkeit von ihren Eltern.

Jetzt heißt es, als Paar zu funktionieren und trotzdem an der Liebe festzuhalten. Zumindest kleine Freiräume sollte sich jedes Paar verschaffen, in der die Elternrolle für einen Moment in den Hintergrund rückt. Ansonsten nimmt die ansonsten herrschende Zufriedenheit ab, was die Stabilität der Beziehung gefährdet. Wird dem nicht entgegengewirkt, sind die gemeinsamen Kinder das einzige Element, was eine Beziehung zusammenhält. Ist der Nachwuchs aus dem Gröbsten raus, stehen viele Paare vor den Scherben ihrer Beziehung, weil es an Gemeinsamkeiten mangelt und sich beide in unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Dem kann mit dem Finden und Definieren neuer Ziele, gemeinsamer Hobbys und Unternehmungen entgegengewirkt werden.

 

Alltagsroutine

Verläuft das Leben mit Beruf, Partner und Familie im Alltag ruhig und reibungslos, sollte man meinen, dass sich dann jeder entspannt zurücklehnen kann. Tatsächlich aber ist das die Beziehungsphase, in der viele Menschen besonders unzufrieden sind.

Ihnen ist langweilig im Alltagstrott und sich wünschen sich anregende Herausforderungen, um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Gerade dann, wenn sich alles harmonisch eingependelt hat, beenden viele eine Beziehung vor dem Hintergrund, in einer neuen Beziehung wieder Abenteuer erleben zu können.

Dabei kann das ruhige Fahrtwasser der Langeweile eigentlich mit Muße dazu genutzt werden, gemeinsame Ideen für Neues, Aufregendes und Wiederbelebendes zu entwickeln. Und gerät ein Paar in dieser Beziehungsphase hier und da mal in einen Streit, ist dies noch längst kein Indiz für das drohende Ende. Wo gestritten wird, ist noch ein Funken Leidenschaft vorhanden. Es kommt eher darauf an, wie gestritten wird. Den Partner abwerten und lächerlich machen ist ein Zeichen fehlenden Respekts, der eine wichtige Basis für eine funktionierende Beziehung darstellt. Statt sich selbst ungeheuer wichtig zu nehmen, sollte jeder Partner auch in der Lage sein, Humor zu beweisen und über sich selbst lachen zu können. Das Leben ist doch schon ernst genug!

In dieser Beziehungsphase kann beiderseitige Zuneigung sowohl Schlüssel als auch Argument sein, an der Beziehung festzuhalten. Ausschlaggebend für die Entscheidung für oder gegen die Weiterführung der Beziehung sind innere oder äußere Barrieren. Zu den inneren Barrieren gehören moralische Bedenken wie Versagensangst, die Angst vor dem Alleinsein oder die Sorge, wie sich eine Trennung auf die gemeinsamen Kinder auswirken könnte. Zu äußeren Barrieren gehört die Angst vor einem Statusverlust, das gemeinsame Haus und auch finanzielle Bedenken bei einer Schlechterstellung.

 

Bilanzierung und Neubeginn

In langjährigen Beziehungen kommt irgendwann der Zeitpunkt, dass man sein Leben und seine Partnerschaft betrachtet und hinterfragt. Wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Ruhestand naht, dann hat jeder Zeit, über solche Dinge nachzudenken.

Mütter haben häufig das Gefühl, jetzt beruflich noch einmal richtig durchstarten zu können. Männer leiden unter ihrem langsam schwindenden Einfluss im Beruf. Stagnation kann beide Partner in eine Midlife-Crisis führen. Außerdem ist auch das Altern immer wieder ein Punkt, der in seiner individuellen Wahrnehmung zu Selbstmitleid und Persönlichkeitskrisen führen kann.

Mit solch unterschiedlichen Emotionen behaftet wird dann noch Bilanz gezogen: Entweder geht das Paar dann getrennte Wege und sucht jeweils nach einem Neuanfang. Oder aber beide entscheiden sich an diesem Punkt erneut füreinander und marschieren mit frisch vereinten Kräften in Richtung zweiter Frühling.

 

Interpretation der Beziehungsphasen

Zu beachten ist, dass die Partner sich nicht zwingend zeitgleich in einer der Beziehungsphasen befinden müssen. Während der eine noch verliebt ist und Romantik fordert, denkt vielleicht der andere schon über Kinder nach. Auch die Dauer der einzelnen Phasen ist variabel. All das bietet natürlich Konfliktpotenzial.

Besonders kritisch für die Beziehung sind Zeiten, in denen sich beide Partner entwickeln und verändern. So bieten auch die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen viel Raum für Spekulation und Verwirrungen. Ebbt die Verliebtheit langsam ab, interpretieren dies viele als ein Warnzeichen und sind der Ansicht, dass dies der Anfang vom Ende sein könnte. Oder aber tiefgreifende Veränderungen wie die Geburt eines Kindes rütteln am Beziehungsgefüge und verursachen neben Kopfschmerzen auch Eifersucht. Deswegen kann es in der Paarmediation hilfreich sein, die Beziehungsphasen zu präsentieren, damit sich jeder nach seinem Gutdünken und Tempo darin wiederfinden kann.

 

Phasen einer PartnerschaftZu Orientierung kann sich jedes Paar selbst die Fragen stellen:

  • Wo befinden wir uns jetzt in der Beziehung?
  • Wo befindet sich der jeweils andere in der Beziehung?
  • Wie könnte unsere weitere Entwicklung aussehen?
  • Wie kann damit umgegangen werden, dass der jeweils andere in einer anderen Phase weilt?

Schon die damit verbundenen Gedankengänge können als ersten Schritt in die richtige Richtung betrachtet werden. Beide Medianden beschäftigen sich intensiv mit ihrer Beziehung und müssen früher oder später auch auf konfliktbehaftete Details eingehen. Eine Beziehung gedanklich Revue passieren zu lassen, kann liebgewonnene Erlebnisse wieder in Erinnerung rufen. Denn häufig lohnt es sich, für eine Beziehung zu arbeiten und zu kämpfen; ganz unabhängig von Phasen.

Wird dieser Gedanke erst einmal weitergesponnen, dann muss auch die Teilnahme an der Paarmediation als dynamische Entwicklung in einer Beziehung gelten. Und wer einmal verstanden hat, dass Entwicklungen in der Beziehung in der Regel gut tun können, profitiert auch in den nächsten Phasen von dieser Erkenntnis.

Bis zum nächsten Mal!

Ihr Frank Hartung

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